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Deutsche Zahlungsverpflichtungen gegenüber Griechenland Schuld und Schulden

Die Kredite zur Rettung des hochverschuldeten Griechenland brachten dem Bundeshaushalt bis Juni 2018 Zinsgewinne in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Die Absprache, diese Gewinne Griechenland zu überlassen, hatte die Bundesregierung 2015 gegenüber der neuen griechischen Regierung aufgekündigt. Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte mit der Forderung nach Verhandlungen über deutsche Reparationen an Griechenland für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg, die vom griechischen Rechnungshof im Dezember 2014 mit 269 bis 332 Milliarden Euro beziffert worden waren, seinen Wahlkampf erfolgreich bestritten.

Während der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am 11. März 2015 erklärte, die Reparationsfrage sei »abschließend und final geklärt«, äußerte sich Altbundeskanzler Helmut Schmidt am 28. April 2015 in der TV-Sendung Maischberger gegenteilig: »Die bisherige Haltung der deutschen Bundesregierung zu diesem Problem kann nicht länger aufrechterhalten werden.«

Seit 1953 hatten alle Bundesregierungen unter Bezugnahme auf das »Abkommen über deutsche Auslandsschulden« (Londoner Schuldenabkommen) die Ansicht vertreten, dass die Regelung der Reparationsfrage nur möglich sei »in Zusammenhang mit einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland«. Doch bereits bis 1955 waren mit über 40 Staaten bilaterale Abkommen zu dem Thema geschlossen worden, die ehemals mit dem Deutschen Reich Krieg geführt hatten. Ebenso hatten die Sowjetunion und Polen 1953 gegenüber der DDR auf weitere Reparationen verzichtet.

Verzicht wurde nie erklärt

Griechenland hatte jedoch zu keinem Zeitpunkt einen Verzicht erklärt, was die Bundesregierung bis heute anerkennt. Denn hier ging es nicht nur um Reparationen für »kriegsbedingte Zerstörungen«. Sehr viel erheblicher waren die Wiedergutmachungsforderungen für Kriegsverbrechen: über 1.000 als »Sühnemaßnahmen« für Partisaneneinsätze zerstörte Dörfer mit Zehntausenden als »Geiseln« erschossenen und verbrannten Männern, Frauen und Kindern; mehrere Hunderttausend Hungertote 1941/42 infolge der Beschlagnahme von Lebensmitteln u. a. für das seit Frühjahr 1941 agierende Afrikacorps von Generalfeldmarschall Erwin Rommel; schließlich die Ausgabe einer Zwangsanleihe durch die Bank von Griechenland aus dem Jahr 1942 über 476 Millionen Reichsmark.

All diese unterschiedlich zu bewertenden Tatbestände wurden seitens des federführenden (und bis in die Staatssekretärsebene von Altnazis wie Karl Maria Hettlage geprägten) Bundesfinanzministeriums zu den »Reparationsforderungen« geschlagen, die »ad calendas graecas« zu verhandeln seien, wie es Carl-Heinz Lüders, der damalige deutsche Botschafter in Luxemburg, noch 1969 feinsinnig zu umschreiben wusste. Es ging – und geht – im Umgang mit Griechenland nicht nur um Schulden, sondern mehr noch um Schuld. Karl Heinz Roth und Hartmut Rübner haben für die Recherchen zu ihrem Buch Reparationsschuld. Hypotheken der deutschen Besatzungsherrschaft in Griechenland und Europa Tausende von Protokollen, Abkommen, Vermerke und Notizen einsehen können und 100 Dokumente angefügt. Letztere spiegeln die aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbare Dominanz ehemaliger NS-Beamter in den Bundesministerien wider, deren Denken in einigen Bereichen noch bis in die 90er Jahre vorherrschend blieb.

Erpressungen durch Altnazis

Dass kein Vorwurf erhoben werden durfte, deutsche Soldaten seien an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen, hatte der spätere Generalinspekteur Hans Speidel schon 1950 zur Vorbedingung für seine Mitwirkung am Aufbau einer Bundeswehr gemacht. So gelang es ihm, seinen Bruder Wilhelm, der wegen »Geiselmordes« während seiner Zeit als Militärbefehlshaber in Griechenland von 1942 bis 1944 in Nürnberg zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war, nach nur zwei Jahren freizupressen.

Und es ging so weiter: Als 1957 Max Merten, maßgeblich beteiligt an den Deportationen der über 50.000 Juden von der Halbinsel Chalkidiki, bei einem Griechenlandaufenthalt verhaftet und 1959 zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, knüpfte die Bundesregierung ihre wirtschaftlichen Hilfen an die Bedingung, dass Griechenland auf die eigenständige Verfolgung deutscher Kriegsverbrecher in Griechenland verzichtet. Merten wurde der Bundesrepublik überstellt – und freigelassen.

1961 war mit anderen westlichen Staaten in einem »Globalabkommen« eine Zahlung von 115 Millionen Mark an den griechischen Staat »zugunsten der aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen griechischen (gemeint waren jüdische) Staatsangehörige« vereinbart worden. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Albert-Hilger van Scherpenberg versuchte in einem Begleitschreiben zum Abkommen dies als Abgeltung für alle Opfer auszulegen. Der griechische Botschafter widersprach umgehend.

Als 1989/90 die Möglichkeit zur Vereinigung der zwei deutschen Staaten gegeben war, setzte das Auswärtige Amt eine Expertenkommission ein, um einen Vertrag auszuarbeiten, der nicht direkt als »Friedensvertrag« bezeichnet werden konnte. Was dann mit dem »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland«, dem »Zwei-plus-vier-Vertrag« auch gelang. Er wurde sogar allen Ernstes 2015 als »Meisterwerk der Diplomatie« durch die UNESCO-Kommission in das Weltdokumentenerbe aufgenommen.

Irgendwann machte sich in der Bundesregierung doch das Gefühl breit, dass etwas getan werden musste. So wurde 2017, analog zum Abkommen mit Polen von 1991, ein Abkommen über die Gründung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks unterzeichnet. Es tritt jedoch erst dann in Kraft, wenn auch Griechenland seinen Kostenanteil von 50 % leisten kann. Vielleicht ist das 2019 der Fall. Falls Deutschland auf das Einstreichen von Zinsgewinnen zugunsten des Jugendwerks verzichtet. Roth und Rübner haben diese »unendliche Geschichte« mit zahlreichen Dokumenten sorgfältig und überzeugend belegt. Sie ist noch nicht zu Ende.

Karl Heinz Roth/Hartmut Rübner: Reparationsschuld. Hypotheken der deutschen Besatzungsherrschaft in Griechenland und Europa. Metropol, Berlin 2017, 645 S., 29,90 €.

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