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»Sollte die Sterbehilfe in Deutschland weiter liberalisiert werden?«

Nein, denn bei all diesen Debatten muss die Hilfe zum Leben im Mittelpunkt stehen.

Eine offene Gesellschaft braucht einen offenen Umgang mit dem Tod und dem Sterben. Die Selbstbestimmung muss im Mittelpunkt stehen – niemand soll sich dafür rechtfertigen müssen, weiterleben zu wollen. Selbstbestimmung, so wie ich sie verstehe, kann ohne den Schutz der Schwachen nicht funktionieren. Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen endet dort, wo das Recht auf Leben eines anderen infrage gestellt wird. Die Achtung vor dem Leben, auch vor dem leidenden, dem schwer kranken und behinderten Leben gehört zur Selbstbestimmung dazu.

Die Hilfe zum Leben muss bei allen Debatten im Mittelpunkt stehen. Menschen im Alter und bei schwerer Krankheit benötigen Hilfe, Unterstützung und Zuwendung. Ganz wichtig ist es, die Suizidprävention gerade auch für junge Leute und Menschen in psychischen Krisen zu verbessern. Wir brauchen eine Enttabuisierung der Volkskrankheit Depression. Was sind die Beweggründe für einen Todeswunsch? Können Änderungen der Lebensumstände dazu beitragen wieder Lebensmut zu fassen? Was lässt denjenigen verzweifeln?

Der Satz »Ich will sterben« ist immer einer, der vom Gegenüber verlangt, sich Zeit zu nehmen, Zeit, nach den Gründen zu fragen, Zeit für Hilfe und Zuwendung. Suizidwünsche sind in der Regel nicht konstant, sondern entwickeln sich im Kontext der Lebenssituation und verschwinden in den meisten Fällen wieder.

Ich engagiere mich für eine solidarische Gesellschaft, die sich immer um Menschen kümmert und sie nicht allein lässt, die die Ängste von Menschen aufgreift, die oft einsam und alt sind: eine Gesellschaft, in der man in Würde leben und in Würde sterben kann, die Menschen bei schwerer Krankheit hilft und ihre Schmerzen lindert.

Bestehende Freiräume erhalten

Unser Ziel sollte sein, dass die Menschen die bestmögliche palliative Versorgung bekommen, dass der Ausbau der Hospize weitergeht. Da hat sich in den letzten Jahren schon sehr viel verbessert. Allen Menschen, die ihn brauchen, muss früh genug ein Hospizplatz angeboten werden, damit man sich dort liebevoll um jeden Einzelnen kümmern kann. Dann sind wir eine sorgende Gesellschaft, die weiß, dass der Tod zum Leben dazugehört.

Deshalb ist es wichtig, alle jetzt bestehenden Freiräume ärztlichen Handelns am Ende des Lebens zu erhalten: sowohl die indirekte und passive Sterbehilfe, den Behandlungsabbruch und die Behandlungsunterlassung sowie die palliative Sedierung, die in Kauf nimmt, dass der Tod früher eintreten kann, wenn schmerzlindernde Medikamente in hoher Dosis gegeben werden.

Beihilfe zum Suizid und auch der Suizid selbst müssen straffrei bleiben – Angehörige, ein behandelnder Arzt oder andere nahestehende Menschen müssen sich darauf verlassen können. Die geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte, Suizidbeihilfe ist hingegen der Weg in eine falsch verstandene Liberalisierung. Wenn das Geschäft mit dem Tod und die Werbung dafür zu einer gesellschaftlichen Normalität würde, würde das den Druck auf alte und kranke Menschen erhöhen, ein solches Angebot nicht nur in Erwägung zu ziehen, sondern auch anzunehmen. Deswegen darf es die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe im Rahmen des Grundgesetzes nur dann geben, wenn die Selbstbestimmung durch umfassende Beratung und Begutachtung sichergestellt und mit Angeboten der Suizidprävention verbunden ist.

Stärkung der Suizidprävention

Ein gesellschaftliches Klima, das suggeriert, die Selbsttötung sei ein guter Ausweg, hätte beängstigende Auswirkungen auf unser Zusammenleben. Ich befürchte, dass eine verhängnisvolle neue »Normalität« entstünde. Und unsere Nachbarländer zeigen uns, wohin der Weg führt, ist erstmal der assistierte Suizid als gesetzliche Möglichkeit eingeführt: Die Zahlen steigen und nicht nur Schwerstkranke wollen die Möglichkeit in Anspruch nehmen.

Deshalb unterstütze ich den Gesetzentwurf von Lars Castellucci und Abgeordneten aus allen fünf demokratischen Bundestagsfraktionen. Denn damit wird der assistierte Suizid nach festgelegten Regeln ermöglicht, aber nur dann, wenn durch ein ausgewogenes und abgestuftes Schutzkonzept festgestellt wurde, dass eine frei verantwortete und selbstbestimmte Entscheidung vorliegt. Die Erfahrung zeigt, dass ein solches Schutzkonzept nötig ist. Außerdem ist der Gesetzentwurf von Castellucci und anderen mit der Forderung nach Stärkung der Suizidprävention verbunden, die von allen Fachleuten als notwendig erachtet wird.

Suizidbeihilfe ist kein therapeutisches Mittel wie ein Medikament. Die Gesellschaft muss für schwer leidende Menschen mehr übrighaben, als die Tablette auf dem Nachttisch für den einsamen Suizid. Schon jetzt muss niemand Behandlungen mit sich machen lassen, die er nicht will, keine Therapie und kein künstliches Weiterleben. Die Angst vor Schmerzen muss mit den inzwischen sehr weit entwickelten Möglichkeiten der Palliativmedizin beantwortet werden. Niemand muss qualvoll sterben, und vor allem soll niemand alleine sterben müssen.

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