Ja, denn dies wäre nicht nur ein wichtiger weiterer Schritt in Richtung Gleichstellung, sondern hätte viele positive Effekte für die Entwicklung des Nachwuchses, die Partnerschaft sowie die Familie insgesamt.
Wenn an dieser Stelle von »gleichem Umfang« die Rede ist, geht es im Grunde darum, die Beteiligung von Vätern an der Erziehung in der ersten Lebensphase des Kindes zu erhöhen, denn Mütter sind ohnehin beteiligt und tun dies aus eigenem Antrieb, aus Liebe, auf jeden Fall aus Verantwortungsgefühl.
Und die Väter? In früheren Zeiten war der »abwesende Vater« ein weit verbreitetes Phänomen in vielen Familien. »Der Ernährer« musste ja schließlich das Geld verdienen. Na ja, Schnee von gestern, sollte man meinen, denn zum Glück haben sich ja nicht nur die Verhältnisse, sondern auch die Einstellungen vieler Väter über die Jahrzehnte kolossal verändert. Durch die Anfang 2007 eingeführte Elternzeit können Mütter und Väter, die ihren Nachwuchs selbst betreuen, bis zu drei Jahren eine Auszeit vom Berufsleben nehmen. Bei Geburten nach dem 1. Juli 2015 können bis zu 24 Monate Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag des Kindes und der Vollendung des achten Lebensjahres genommen werden. Und bei vielen Vätern in Deutschland ist die proklamierte Betreuungswilligkeit auch hoch: Etwas mehr als 50 Prozent, bei denen das ältestes Kind jünger als zehn Jahre ist, wollen die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, fast jeder Zweite ist für eine partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Familie.
Fatale Bilanz für Väter im Jahr 2024
Doch die Realität ist ernüchternd: Es entscheiden sich zwar mittlerweile über 40 Prozent der Väter dafür, irgendwann einmal Elternzeit zu nutzen, aber über die Hälfte nimmt eben gar keine Elternzeit, und etwa drei Viertel von denen, die sie in Anspruch nehmen, tun dies nur zwei Monate. Und sie tun dies vorrangig deshalb, weil sich der Anspruch auf Elterngeld dadurch von zwölf auf 14 Monate erhöht, wenn die Mutter ebenfalls in Elternzeit ist. Oh, Mann, was für eine fatale Bilanz für Väter im Jahr 2024, dem 17. Jahr nach Einführung der Elternzeitregelung. Die negativen Folgen dieser Konstellation sind hinreichend untersucht. Die Psychologie spricht von einem »väterlichen Defizit« in unserer Gesellschaft. Die »funktionalen Vätervorbilder« fehlen nach wie vor in der Erziehung. Dass die Mutter für die Entwicklung des Kindes »unersetzlich« ist, wird allgemein als selbstverständlich angesehen, bei Vätern muss man das aber oft noch begründen.
Chancen
Aber Kinder lernen in der Frühphase durch die Anwesenheit des Vaters andere Verhaltensmuster kennen und dass sie nicht allein von der Mutter abhängig beziehungsweise auf diese fixiert sind. Sie können so ein stärkeres Selbstbewusstsein entwickeln und dann auch die phasenweise Abhängigkeit von einer Person wieder als natürlicher erleben. Auch das Erlebnis einer intakten Dreiecksbeziehung mit wechselnder Nähe fördert die Entwicklung eines stärkeren Urvertrauens. Kinder erfahren zudem die ganze Bandbreite elterlicher Perspektiven und Unterstützung, die für eine ausgewogene Entwicklung notwendig ist. Das gilt für Mädchen wie Jungen. In der frühkindlichen Phase Versäumtes macht sich meist erst im Erwachsenenalter bemerkbar, etwa im Umgang mit anderen Menschen.
Auch die Entlastung der Mutter sollte ein Anreiz für Väter sein, sich mehr zu engagieren. Gerade die Wochen nach der Geburt eines Kindes sind entscheidend für ihre gesundheitliche Regeneration und legen das Fundament für einen guten Start ins Familienleben. Dabei spielt der Vater eine entscheidende Rolle. Liegt die Verantwortung fast ausschließlich bei der Mutter, ist diese gezwungen, beide Elternrollen zu übernehmen, was sie verständlicherweise meist an die Grenzen der Belastung bringt, wenn nicht darüber hinaus. Eine stärkere Beteiligung der Väter wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden der Mütter aus.
Und letztlich profitiert auch der Vater: Die intensivere Beteilung an der Sorgearbeit bietet ihm die Chance, eine intensivere Bindung zum Kind aufzubauen, eine »fürsorglichere Väterlichkeit« und progressive Männlichkeit zu entwickeln, so Michael Tunç, stellvertretender Vorsitzender des Bundesforums Männer. Väter stehen dann nicht mehr unter dem Druck, nur der Spaßpapa zu sein, der für die Events am Wochenende zuständig ist. Gerade das gemeinsame Bewältigen von Alltagsituationen fördert ein besonderes Näheverhältnis. Zeit mit Kindern zu verbringen hat auch einen signifikant positiven Effekt auf die Zufriedenheit im Job und verringert die Absicht, den Arbeitsplatz zu wechseln. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Paare trennen, sinkt ebenfalls.
Hürden
Doch weiter wirksame Geschlechterstereotype, ein oft fehlendes Verständnis bei Kollegen und Chefs, wenn Mann sich in die Elternzeit verabschiedet und die Fixierung auf Karriere und Einkommenshöhe hält viele Väter davon ab, tatsächlich Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Väter machen sich oft selbst Druck, weil sie bestimmten Männlichkeitsvorstellungen entsprechen wollen. Als männlich gilt, wer bereit ist, alles in den Beruf einzubringen – und die Familie zu versorgen.
Daneben stehen der nach wie vor existierende Gender Pay Gap sowie das unsägliche Ehegattensplitting den Zielen einer ausgeglichenen Elternzeit entgegen. Dort wo die Einkommensunterschiede so gut wie verschwunden sind, etwa in Luxemburg, nutzen Männer viel häufiger Elternzeit. An beidem lässt sich wohl kurzfristig wenig ändern. Da der finanzielle Aspekt aber offensichtlich eine hohe Hürde in dem Bestreben darstellt, Väter verstärkt in Elternzeit zu locken, könnte dies ein erster Ansatzpunkt sein. Studien zeigen zum Beispiel, dass erst eine Lohnersatzrate über 80 Prozent den Väteranteil in der Elternzeit signifikant erhöht.
Die oft zitierten »neuen Väter« gibt es tatsächlich.
Doch es gibt auch so Hoffnung. Die oft zitierten »neuen Väter« gibt es tatsächlich. Sie unternehmen mehr mit ihren Kindern, entwickeln auch engere Beziehungen zu ihnen. Auch dem männlichen Teil der Generation Z ist zunehmend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Fast Dreiviertel wünschen sich, für die Kinderbetreuung auf Teilzeit wechseln zu können. Der gewünschte Lebensentwurf vieler Männer beinhaltet gar nicht mehr nur die Karriere, viele wollen auch perfekte Väter sein.
Angesichts des bestehenden Fachkräftemangels werden auch Arbeitgeber sich weiter in diese Richtung bewegen müssen. Bei manchen gilt die Väterzeit mittlerweile schon als zusätzliche Qualifikation, weil dadurch Organisationstalent, Verantwortungsbewusstsein und Belastbarkeit trainiert werden. Als erstes DAX40-Unternehmen stockt Henkel seit Anfang 2024 für acht Wochen das Elterngeld auf volle Bezüge auf. Da für Mütter bereits ein achtwöchiger Mutterschutz nach der Geburt besteht, profitieren insbesondere Väter und andere Partner sowie Partnerinnen von diesem Angebot. Die von der Ampel geplante Familienstartzeit (zehn Tage bezahlte Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt) zielt in die gleiche Richtung, liegt aber momentan noch auf Eis.
In der Wahrnehmung und Akzeptanz einer längeren Väterzeit und bei den entsprechenden Rahmenbedingungen ändert sich gerade etwas; die Väter müssen nun aber auch Ihren Beitrag für einen Wandel leisten.
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