Menü

©

picture alliance / Schoening | Schoening

»Sollten wir weiterhin in den Urlaub fliegen?« NEIN

Der erste Motorflug gelang den Gebrüdern Wright im Jahr 1903. Seitdem stieg die Zahl der Flüge weltweit auf 47 Millionen (2019) und lag 2023 – nach dem Coronaeinbruch und dem folgenden Wiederanstieg bei immerhin 38 Millionen. Dabei hat das Fliegen viele negative Folgen, z. B. einen hohen CO2-Ausstoß, Lärmbelästigung, Überlastung von Reisezielen, schlechte Arbeitsbedingungen bei den Airlines, soziale Ungerechtigkeit und enormen Ressourcenverbrauch bei dem Bau von Flugzeugen.

Status quo

Von deutschen Flughäfen starteten 2023 rund 98 Millionen Passagiere. Davon flogen innerhalb Deutschlands 11,5 Millionen, über 67,7 Millionen Menschen innerhalb Europas, rund 3,8 Millionen nach Afrika und jeweils etwa 7,5 Millionen nach Asien und Amerika.

Dabei hat ein Flug von Hamburg nach New York und zurück einen CO2-Ausstoß von 3,19 Tonnen pro Kopf. Zum Vergleich, der durchschnittliche Ausstoß pro Kopf in Deutschland liegt bei elf Tonnen CO2 – pro Jahr. Verkraftbar für unsere Erde wären zwei Tonnen CO2 pro Jahr. Flüge haben also einen erheblichen Anteil an den individuellen Budgets in Deutschland und stellen somit auch einen wichtigen Hebel für die Bremsung des Klimawandels dar.

Die schlechte Klimabilanz von Flügen ist aber nicht ausschließlich auf den CO2-Ausstoß zurückzuführen. Dazu kommt noch die Bildung von Kondensstreifen, welche die Wärme auf der Erde darunter halten und so den Treibhauseffekt verstärken.

Das beliebteste Auslandsreiseziel deutscher Urlauber:innen ist Spanien. Im Jahr 2022 waren es 9,8 Millionen. Davon besuchten etwa 4,5 Millionen Urlauber:innen die Balearen Insel Mallorca. Dies hat nicht nur einen hohen CO2-Ausstoß zu Folge (617 Kilogramm pro Person bei einem Hin- und Rückflug von Hamburg), sondern auch die Verteuerung von Wohnraum und Produkten des täglichen Bedarfs vor Ort.

In Spanien beträgt zudem das Durchschnittsgehalt pro Monat rund 1.800,- Euro, während es in Deutschland bei etwa 3.333,- Euro liegt und damit um rund 85 Prozent höher. Dadurch können viele Deutsche auf den Balearen leicht eine Wohnung kaufen, was aber gleichzeitig dazu führt, dass es für Investor:innen und Vermieter:innen lukrativer ist, ihre Wohnung an Deutsche zu verkaufen oder zu vermieten. Außerdem werden immer mehr Hotels gebaut, die im Winter (fast) leer stehen. Somit wird der Platz für die einheimische Bevölkerung immer kleiner und deren Frust und Ärger immer größer. Letztlich alles eine Folge der Tatsache, dass »Malle« per Flieger in weniger als drei Stunden zu erreichen ist.

Mallorca, Venedig, Dubrovnik: In vielen Stadtkernen leben inzwischen nur noch wenige Einheimische.

Dabei ist Mallorca nur ein Beispiel. Schaut man nach Venedig oder Dubrovnik, kann man dort dieselbe Entwicklung wahrnehmen. In vielen Stadtkernen leben inzwischen nur noch wenige Einheimische und auch die Ladengeschäfte und Restaurants sind nicht mehr auf die Bewohner:innen der Stadt zugeschnitten, sondern auf die vermeintlichen Bedürfnisse der Tourist:innen. So erleben viele Städte eine Gentrifizierung aufgrund des zunehmenden Stroms von Tourist:innen. In Venedig stehen viele Wohnungen leer, die rein als Spekulationsobjekte von Investor:innen gekauft und nicht an die lokale Bevölkerung vermietet werden. Denn durch steigende Preise lässt sich so schnell ein gutes Geschäft bei einem Weiterverkauf machen.

Was ist teurer?

Die UN-Luftfahrtorganisation ICAO hat geregelt, dass die Fluggesellschaften selber für die Finanzierung der Infrastruktur, also der Flughäfen aufkommen sollen. Um dies zu gewährleisten, werden keine zusätzlichen Steuern auf internationale Flüge erhoben. Auch eine Besteuerung des Kerosins ist nicht vorgesehen, kann aber von jedem Land selber entschieden werden. In Deutschland wird es aber nicht besteuert.

Allerdings werden für Flüge innerhalb Deutschlands aber 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Das mag zwar auf den ersten Blick gut klingen, aber wenn man bedenkt, dass die meisten Flüge ins Ausland gehen, entgeht so der deutschen Steuerkasse pro Jahr ein hoher zweistelliger Millionenbetrag. Auf Bahntickets wurden vor dem Klimaschutzpaket der schwarz-roten Regierung grundsätzlich auch 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig, jetzt sind es nur noch sieben Prozent. Doch das gleicht den Preisvorteil des Fliegens keineswegs aus. So hat Greenpeace 2023 ermittelt, dass bei europäischen Verbindungen in 71 Prozent der Fälle Bahnfahrten teurer sind. Auf Strecken mit Start oder Ziel in Deutschland kosteten Zugreisen durchschnittlich 51 Prozent mehr als eine gleichwertige Flugverbindung.

»Auch was die Arbeitsbedingungen angeht, halten viele Fluggesellschaften Negativrekorde.«

Auch was die Arbeitsbedingungen angeht, halten viele Fluggesellschaften Negativrekorde. Besonders Billigairlines wie Ryanair oder Germania zahlen schlecht und bieten so gut wie keine geregelte Arbeitszeit. Bei einigen europäischen Airlines wie Lufthansa sind die Arbeitsbedingungen zwar besser, aber auch bestimmen Effizienz und wirtschaftlicher Gewinn das tägliche Tun: Airlines sind in der Regel Aktiengesellschaften, die ihre Gewinne in Form von Dividenden an ihre Aktionär:innen weitergeben. Auch bei der Deutschen Bahn gab es zwar kürzlich einen Skandal wegen der Zahlung von Bonusgehältern an Führungskräfte bei gleichzeitig sinkender Qualität, aber die DB ist immer noch zum großen Teil in staatlicher Hand und an Tarifverträge gebunden.

Beim Bau eines Flugzeuges wird hauptsächlich immer noch Aluminium eingesetzt. Dies ist zwar regulär gut recycelbar, aber in der Herstellung sehr energieintensiv. Zusätzlich werden Kohlefaserverbundstoffe eingesetzt, welche zurzeit noch nicht recycelbar sind.

Durch die Menge an Flugzeugen entstehen weltweit immer größere Flugzeugfriedhöfe. Dort stehen ausrangierte Flugzeuge, die nur teilweise recycelt oder als Ersatzteillager genutzt werden können. Somit ist der Flächenverbrauch auch nach der aktiven Zeit eines Flugzeuges immer noch sehr hoch.

Politische Weichenstellungen und Alternativen

Um effektiv einen Wandel in unserem Reiseverhalten herbeizuführen, muss es auch flankierende politische Rahmenstellungen geben, die mehr Lust darauf machen mit der Bahn zu fahren. Dazu muss das Schienennetz erneuert und ausgebaut werden. Weiter sollte es einen Rabatt für Familien, Studierende und Schüler:innen geben.

Der Ausbau von Nachtzugverbindungen und die bessere Möglichkeit mit Kindern zu reisen sind meiner Meinung nach unabdingbar für eine Verkehrswende von der Luft auf die Schiene.

Zusätzlich wäre die Erhöhung der Anzahl der Urlaubstage von Angestellten ein Schritt in die richtige Richtung. So wären auch längere Anreisen mit dem Zug eine geringere Hürde.

Wir sollten also nicht mehr in den Urlaub fliegen. Auch wenn es ein großes Gefühl von Freiheit verschaffen mag, wir können es uns klimatisch schlicht nicht mehr leisten. Dabei möchte ich keinesfalls die Urlaubsfreude der Menschen trüben, aber über die Jahrzehnte ist es für Menschen, die es sich leisten können – und das sind mittlerweile viele – völlig normal geworden zu fliegen, dass wir ganz vergessen haben, wie schön es auch in der näheren Umgebung ist.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Nach oben