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Das international geförderte Bildungsprojekt im Kosovo Spaltung statt Integration

Wie sich internationale Interventionen auf die Bildungsreformen in Postkonfliktsituationen und ethnisch gespaltenen Gesellschaften auswirken, in denen Bildung oft auch den Nährboden für Ausgrenzung und neue Konflikte darstellt, ist eine entscheidende Frage für den Kurs und die Zukunft von Friedens- und Nation-Building-Experimenten. Das Nachkriegsengagement der Vereinten Nationen mittels ihrer Interimsverwaltungsmission im Kosovo (UNMIK) war in dieser Hinsicht beispielhaft. Die Mission wurde nach dem Ende des Kosovokriegs gemäß der Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 in die damalige autonome Provinz Serbiens entsandt. Ihr Ziel war von Anfang an, ein einheitliches Bildungssystem im Kosovo zu schaffen. Aus verschiedenen Gründen wurde es jedoch nicht erreicht.

Friedenskonsolidierung ist zum einen ein komplexer Prozess, der auf Kompromissen zwischen den regionalen und internationalen Akteuren beruht. Das Ergebnis ist ein sich hoffentlich gegenseitig verstärkendes Gleichgewicht. Die Kosovo-Mission wurde zudem in ein Gebiet entsandt, in dem sich ethnisch-religiöse und nationale Strömungen herausgebildet hatten, die mit den internationalen Bemühungen um einen Staatsaufbau kollidierten. Dies war nicht nur im Kosovo der Fall, sondern in der gesamten Balkanregion. In den 600 Jahren, die das Osmanische Reich bestand, hatte sich das Millet-System etabliert, in dem die Religion als das entscheidende Merkmal von Inklusion bzw. Exklusion festgelegt war. Mit der Schwächung des Reiches im 19. Jahrhundert und der Entstehung der modernen europäischen Staatenordnung im 20. Jahrhundert entwickelten sich regionsübergreifende Identitäten. Aber selbst dort, wo der Stellenwert der Religion zusätzlich durch konkurrierende Identifikationsquellen untergraben wurde, schützten ein institutionelles Vermächtnis und lokale Alltagspraktiken die Rolle von Glaubensgemeinschaften im Wettbewerb und in Abgrenzung zu den entstehenden nationalen Einheiten. Dies war besonders für die muslimischen Gemeinschaften offensichtlich. Nachdem sich später die Staaten gebildet hatten, wurden diese aufgespaltenen kommunalen Identitäten von Politikern gefördert, manipuliert und für ihre Zwecke instrumentalisiert, um Nationen abzugrenzen, ihre Zentralgewalt zu konsolidieren und die äußeren Grenzen neu festzulegen. Eine ethnische Konzentration ersetzte seit den 90er Jahren den Pluralismus. Diese Tendenz kollidierte mit den zeitgleichen Entwicklungen in ganz Europa, wo Grenzen an Bedeutung verloren und die Staaten multikultureller wurden. Die UNO-Interimsverwaltung im Kosovo, das größte Experiment in der Geschichte der Friedenskonsolidierung und des Bildungsaufbaus überhaupt, war mit zwei ethnisch-dominierten und ausgrenzenden Bildungssystemen und Visionen konfrontiert. Das Engagement der UNO für den Wiederaufbau des Bildungssystems im Kosovo war somit von vornherein keine leichte Aufgabe, und sie ist es bis heute nicht.

Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Bildung im Kosovo nach dem serbischen Lehrplan gestaltet. Die damalige Ministerin für den seit 2011 geförderten EU-Dialog zwischen Kosovo und Serbien, Edita Tahiri, berichtete Anfang Oktober 2018 in einem Interview, dass Albaner im ehemaligen Jugoslawien diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse angesehen wurden. Deshalb hätten Serben auch eine Abneigung dagegen Albanisch zu sprechen. Unter dem damaligen jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito fand ab 1945 die Albanisierung des kosovarischen Bildungssystems statt. Zu dieser Zeit wurden auch albanische Forderungen nach einer eigenen kosovarischen Universität lauter und 1968 wurde in Priština sogar dafür demonstriert. Ein Jahr später wurde eine multiethnische Einrichtung ins Leben gerufen, die Kurse in Serbokroatisch und Albanisch anbot. Die Universität Priština (UP) wurde 1970 gebaut – in einem heiklen Moment, denn die rechtliche, kulturelle und ethnische Autonomie des Kosovo erreichte damals gerade eine neue Dimension. Ihre Gründung war ein historisches Ereignis für die albanische Bevölkerung im Kosovo. Edita Tahiri, seit 2011 Stellvertretende Ministerpräsidentin der Republik Kosovo, berichtete: »Wir haben die Grundlage für eine Universität als Grundlage für eine Nation geschaffen. Wir waren eine bildungsverliebte Nation.«

Der Kampf um den Kosovo begann im Bildungssystem

Als Slobodan Milošević in den späten 80er Jahren Präsident der Sozialistischen Republik Serbien wurde und der serbische Nationalismus deutlich zunahm, war die Autonomie des Kosovo bedroht. Miloševićs Kampf um den Kosovo begann im Bildungssystem. Er ließ verschiedene Befugnisse, u. a. auch die für die Bildung, nach Belgrad übertragen. Zwischen August und September 1990 wurde ein neuer serbischer Lehrplan an der Universität Priština eingeführt. Gegen Ende 1990 wurden alle kosovo-albanischen Mitarbeiter und Studenten von der Universität ausgeschlossen und eine Bildungstrennung durchgeführt, Anfang 1991 war die Universität Priština zu einer serbisch dominierten Institution geworden. Als Gegenmaßnahme begannen die Kosovo-Albaner ein paralleles System unter Ibrahim Rugova zu entwickeln, dem Führer der LDK (Demokratische Liga des Kosovo), und proklamierten 1990 die unabhängige »Republik Kosovo«. 90 % ihrer Einnahmen stammten aus der Diaspora. Diese Parallelrepublik stellte das Herzstück des kosovarischen Widerstands gegen die serbische Dominanz und Unterdrückung dar. Gleichzeitig stärkte sie die Verbindung zwischen kosovo-albanischen Schülern, Lehrern und Schulverwaltung hinsichtlich des kulturellen Widerstands und der Identifikation. Zusätzlich beseitigte sie alle Gemeinsamkeiten im Bildungssektor zwischen Albanern und Serben. Das parallele System endete mit dem Konflikt.

Nach dem Ende des Krieges im Juni 1999 schritt die UNMIK im Kosovo ein. Die Universität Priština wurde im akademischen Jahr 1999/2000 wiedereröffnet. In der Zwischenzeit wurden serbische Wissenschaftler und Studenten der Universität nach Mitrovica geschickt. Jagoš Zelenović, der ehemalige Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Wissenschaftsminister in der Regierung von Milošević, wurde zum neuen Präsidenten der Universität ernannt. Tatsächlich war er für die Segregation im kosovarischen Hochschulsystem verantwortlich und UNMIK hat dabei geholfen, dieses Ziel zu erreichen.

Die UNO-Mission wurde auf der Grundlage der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates entsandt. Einerseits erkannte diese Resolution die territoriale Integrität und Souveränität Serbiens an. Andererseits verfügte die Mission über die administrative Vollmacht für den Kosovo, bei dem von vornherein klar war, dass er nicht mehr in Serbien eingegliedert werden sollte. Die rechtliche Lage sowie das Ziel des Experiments innerhalb der Friedenskonsolidierung und der Entwicklung des Bildungswesens schienen bei den Vereinten Nationen nicht klar zu sein.

Im Mai 2001, zwei Jahre nach dem Beginn ihres Einsatzes, verkündete die UNMIK eine Verfassungsordnung für die Einrichtung der Provisorischen Selbstverwaltungsinstitutionen (PISG) in Form eines kosovarischen Parlaments, einer Regierung und eines Justizsystems. Im selben Jahr übertrug UNMIK schrittweise erweiterte administrative Kompetenzen an die PISG. Diese ersetzten die sogenannte Gemeinsame Übergangsverwaltungsstruktur (JIAS). Die JIAS hatte u. a. 19 Verwaltungsabteilungen umfasst, darunter auch die für die Bildung. Die vorherige Abteilung für Bildung und Wissenschaft (DES) war von einer sich bildenden lokalen und einer internationalen Einheit gemeinsam geleitet worden.

Aufgezwungene Realität

Die Entscheidung über die Form des Bildungssystems lag in der Nachkriegszeit ausschließlich in internationalen Händen, insbesondere in denen des internationalen Hauptoffiziers (PIO), dem deutsch-österreichischen Sozialwissenschaftler Michael Daxner. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand die Kosovaren gefragt hat, ob wir integriert werden sollten oder nicht. Ich denke, wir hatten nicht viel zu sagen. Die UP war eine Art aufgezwungene Realität im Kosovo«, sagte Xhavit Rexhaj, Vizepräsident für internationale Zusammenarbeit am AAB College im September 2018. Daxner war de facto Verwalter der damals öffentlichen Universität Priština, während er den Präsidenten zu einer Galionsfigur degradierte. In dieser Position verfügte Daxner innerhalb der Resolution 1244 über absolute Macht. Er war nicht daran interessiert, mit dem Management und den Dozenten der UP zusammenzuarbeiten. Kritiker wie Xhavit Rexhaj sind der Auffassung, dass Daxner ein Bildungssystem »um Bücher, Eltern und Schüler herum aufgebaut hat. Lehrer und lokale Behörden wurden nicht einbezogen. Er hat das System sehr autoritär geführt. In den lokalen Behörden gab es große Kapazitäten. Aber es herrschte zu dieser Zeit ein verrückter Patriotismus«.

2001 wurde die Universität von Nord-Mitrovica (UMN) gegründet, die von den Kosovo-Serben weiterhin Universität von Priština genannt wird und die vorübergehend in Mitrovica (UPKM) neu angesiedelt wurde. Sie profitierte von der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung Belgrads bei der Umsetzung des serbischen Lehrplans. Heute untersteht die UMN immer noch dem Bildungsministerium von Belgrad. Die UNO-Interimsverwaltung UNMIK erkannte die damalige UMN sofort an. Mit diesem Schritt bereitete die UNO-Mission den Weg für die Spaltung im kosovarischen Bildungssystem, indem ein neues System parallel weiterexistierte, dieses Mal das serbische. Ein österreichischer Angestellter der Botschaft in Priština sagte dazu: »Die Internationalen belogen die Menschen sehr. Diese glaubten, dass die Universität von Mitrovica wieder in die UP integriert werden würde.« »Außerdem wirkte es so, als ob von Daxners Idee ein besonderer Status im Norden des Kosovo zu verlangen war. Auf diese Weise verstärkte er die Existenz der serbischen Parallelstrukturen«, sagt Arsim Bajrami, ehemaliger Vizepräsident der UP und von 2004 bis 2005 Leiter des Ministeriums für Bildung und Technologie (MEST). Gleichzeitig gibt es Ansichten, dass weder Albaner noch Serben daran interessiert waren, eine gemeinsame Sprache zu finden. Die nominelle Co-Regierung aus internationalen und lokalen Behörden dauerte bis zu den ersten Wahlen im Kosovo im Herbst 2001. Tatsächlich übte UNMIK aber noch bis zur Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar 2008 eingeschränkt Einfluss aus. Am 12. Mai 2003 wurde das Hochschulgesetz verkündet und das Recht aller Gemeinden ohne direkte oder indirekte Diskriminierung der Hochschulbildung anerkannt. Viele meinen, dass sich UNMIK und Daxner, die stärksten Befürworter der Gründung einer eigenen Universität für die Serben im nördlichen Teil Mitrovicas, ständig in die Arbeit der Experten des Europarates einmischten, um die gesetzliche Grundlage für eine öffentliche Universität für die Serben, getrennt von der Universität Prištinas, zu schaffen. Xhavit Rexhaj erklärt dazu: »Ich erinnere mich, dass Michael Steiner, der damalige UN-Sonderbeauftragte, nach Belgrad gereist ist und eine Einigung über die Sonderrechte Serbiens erzielt hat, sich in kosovarische Angelegenheiten einzumischen, wozu insbesondere natürlich auch die Bildung gehört. Die Universität Prištinas in Mitrovica war ein UNMIK-Deal und die Kosovaren konnten nichts dagegen tun.«

Obwohl es historische Erkenntnisse gab, die von Anfang an gegen die Schaffung eines einheitlichen Bildungssystems im Nachkriegskosovo sprachen, bleibt die Frage: Warum hat die UNO-Mission das genaue Gegenteil ihres ursprünglichen Mandats unterstützt und gefördert? Eine klare Antwort steht nach wie vor aus. Sicher ist, dass UNMIK die Grundlage für eine noch schärfere Trennung im Bildungswesen zwischen den zwei Gemeinden geschaffen hat. Die Möglichkeiten einer effektiven Integration bleiben bis auf Weiteres bloße Utopie.

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