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© picture alliance / ZB | Sascha Steinach

Verwaltungsmodernisierung in der Bundesagentur für Arbeit aus Sicht der IT-Reformer Stempelbude war gestern

Als erste und einzige Behörde hat die BA das Online-Zugangsgesetz Ende 2022 vollständig umgesetzt. In den letzten Jahren und vor allem in Coronazeiten wurde dafür gesorgt, dass Zehntausende Mitarbeitende zu Hause mit Computern und Zugängen ausgestattet wurden, damit Sozialleistungen, Kurzarbeitergeld und Kindergeld ausgezahlt werden konnten. Rund 100 zeitgemäße eServices sorgen dafür, dass Bürger/innen und Arbeitgeber/innen bereits viele Angelegenheiten online erledigen können.

Die BA ist Vorreiterin im Bereich der Verwaltungsmodernisierung, hat zum Jahresende 2022 die gesetzlich vorgeschriebenen rund 70 Services digitalisiert, plus rund 30 weitere digitale Angebote, die gesetzlich nicht vorgeschrieben waren, die aber für die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Behördenpartner hilfreich sind und Sinn ergeben: unter anderem die App »BA-mobil« mit über einer Million Downloads und monatlich über 200.000 Nutzern, die Videoberatung mit mehr als 700.000 durchgeführten Terminen in den letzten zwei Jahren und einer Weiterempfehlungsquote von 97 Prozent, oder die Online-Terminvereinbarung bequem von zu Hause aus.

»Die Daten sollen wandern, nicht die Bürger.«

Von der Information, über die Antragstellung, den Onlinetermin und die Videoberatung bis hin zur Job- und Weiterbildungssuche ist jetzt alles digital möglich, getreu dem Motto »Die Daten sollen wandern, nicht die Bürgerinnen und Bürger«. Dabei wird konsequent anhand einer sogenannten Kundenreise weiterentwickelt. Es wird geschaut, was der Bürger in seiner Lebenssituation gerade für einen eService benötigt und dieser wird ihm als Alternative zu den klassischen Wegen angeboten.

Natürlich läuft nicht alles sofort rund, was die Einführung des Chatbots auf der Homepage arbeitsagentur.de in Coronazeiten beispielhaft gezeigt hat: Zunächst war seine Sprache allgemein verständlich, was aber einen Rüffel aus dem Ministerium einbrachte. In der Werkstatt wurde ihm dann rechtskonforme Sprache beigebracht. Nicht jede Lösung funktioniert also von Anfang an gut.

Was man im Zuge der seit Jahren immer mehr vorangetriebenen Digitalisierung auch betonen muss: Bei der Beratung wird die persönliche Komponente und das persönliche Gespräch vor Ort nie verschwinden und durch Digitalisierung vollkommen ersetzt werden. Alle digitalen Lösungen – wie etwa die Videoberatung – sind eine sinnvolle Alternative und eine wählbare Option, wenn sie gewünscht wird.

Dekade der Automatisierung

In den nächsten Jahren will die BA vor allem die Automatisierung anpacken. Untrennbar damit verbunden ist der Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI). Denn Digitalisierung reicht nicht aus. Jetzt geht es darum, auch die Prozesse dahinter zu optimieren und Schritt für Schritt intelligent zu automatisieren, weil es gar keine Alternative dazu gibt. Die BA hat ein Programm zur Automatisierung und Prozessoptimierung aufgelegt, in enger Verzahnung zwischen IT und Geschäftsbereichen (vor allem dem Personalbereich).

»Der demografische Wandel wird nicht nur die BA massiv treffen.«

Der demografische Wandel in der BA mit rund 35.000 Abgängen in den nächsten zehn Jahren erlaubt es nicht, auch nur auf einen weiteren Kopf zu verzichten, sonst ist die Funktionalität der Bundesagentur gefährdet. Aber nicht nur die BA ist massiv betroffen. Nachwuchs- und Fachkräfte werden allgemein immer knapper. Gleichzeitig werden die Herausforderungen für die Arbeitsverwaltung durch die Arbeitsmarkttransformation zunehmend komplexer: Fachkräftesicherung, Qualifizierung, Migration sind nur einige Stichworte. Nur durch Prozessautomatisierung ist das zu schaffen. Dadurch werden Kapazitäten für Beratung, Vermittlung und andere Kernaufgaben geschaffen. Dafür werden aber auch entsprechende Rahmenbedingungen benötigt, damit die Automatisierung überhaupt umgesetzt und weiterentwickelt werden kann. Stichwort Datenaustausch zwischen Behörden, Investitionen in IT und Cloudlösungen. Es gibt also richtig viel zu tun in der Dekade der Automatisierung.

Ein gutes Beispiel für einen Transformationsprozess ist die elektronische Akte, die seit über zehn Jahren Standard in der BA ist, obwohl es auch damals Sorgen und Ängste gab. Heute ist sie für fast alle Mitarbeitenden eine Arbeitserleichterung. Über sie tauschen 156 Arbeitsagenturen und Hunderte Jobcenter Daten aus. Seit Kurzem klappt das sogar mit anderen Behörden, also im Ökosystem von BA, Rentenanstalt und Krankenkassen. Und es wurden Services entwickelt, um Bescheinigungen digital auszutauschen. Daneben wurde der komplette Rechtsverkehr digitalisiert, wovon beide Seiten – Staat und Bürger – profitieren.

Humane Automatisierung

Besonders wichtig ist die sogenannte »Human Friendly Automation«, die Automatisierung – wie der technische Fortschritt insgesamt – muss sozialen und ethischen Grundsätzen folgen. Menschenfreundlich ist Automatisierung vor allem dann, wenn die Mitarbeitenden mitgenommen werden. Das heißt: regelmäßig dazu informieren, die Kolleginnen und Kollegen weiterbilden und aktiv an der Gestaltung beteiligen, und zwar Mitarbeitende aus allen Bereichen. Automatisierung kann kein Projekt der IT allein sein.

Flächendeckende Weiterbildung ist enorm wichtig, damit von KI-betroffene Bürgerinnen und Bürger ihre Arbeitskraft in andere wichtigere Tätigkeiten überführen und lernen, mit der Technologie umzugehen – denn Weiterbildung ist die beste Arbeitslosenversicherung. Künstliche Intelligenz ist hierbei in der Lage, sowohl die Automatisierung zu befördern als auch neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Dazu zwei Beispiele, bei denen KI die Mitarbeitenden der BA im Alltag wirklich unterstützt: Bereits im Einsatz ist sie im Bereich der Familienkasse, wenn es um die Weiterbewilligung von Kindergeld bei studierenden Kindern geht, um die eingereichten Studierendenbescheinigungen automatisch zu erkennen. Wer kennt schon alle Bescheinigungen der derzeit 422 deutschen Hochschulen?

Anwendungen von Maschinellem Lernen

Aktuell entwickelt die BA die automatisierte Datenübernahme aus Stellenangeboten mittels Machine Learning: Senden uns Arbeitgeber die Stellenbeschreibung per E-Mail als Fließtext oder als Anhang, können wir künftig die Inhalte automatisch in unser Fachverfahren übernehmen. Ab Frühjahr 2024 profitieren die BA-Mitarbeitenden im Arbeitgeberservice davon und sparen so viel Zeit bei der Entgegennahme von offenen Stellen. Weitere Anwendungsfälle werden bereits geprüft. So sind Einsatzgebiete bei der wichtigen IT-Security, bei der Spracherkennung Speech-to-text (also die schnelle Übernahme von Beratungsgesprächen als Vermerk), bei möglichen Voicebots und bei vielem mehr denkbar.

Es gibt Fesseln, die die Akteu­re im öffentlichen Sektor behindern.

Selbstverständlich gibt es auch rechtliche Regelungen, die nicht mehr zeitgemäß sind, weil sie zum Beispiel vor Jahrzehnten verfasst wurden, als Computer noch nicht verbreitet waren. Das sind Fesseln, die viele Akteure im öffentlichen Sektor behindern. Das Tempo ließe sich pro­blemlos erhöhen, allerdings steht zum Beispiel bei der Automatisierung das Kassenrecht des Bundes im Weg, das nur das menschliche Vier-Augen-Prinzip kennt.

Und selbstverständlich kann man auch aus der »freien Wirtschaft« lernen. Die BA als Großbehörde ist kein schlankes, flexibles Start-up, sondern hat festgelegte, oft langwierige Abstimmungsrunden, Gremienbeteiligungen und Genehmigungsverfahren. Insofern passt der bekannte Vergleich von »Tanker«und»Schnellboot« nicht immer, aber leider noch zu oft. Aber die BA ist eine lernende Organisation. Durch das vor zwei Jahren angestoßene interne Transformationsprogramm UPGRADE sind Entscheidungsprozesse kürzer und stringenter geworden, die Umsetzung geht deutlich schneller, es gibt flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege. Anfang 2024 steht die endgültige Reorganisation an.

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