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Gegen eine legitimatorische Legendenbildung von 68 Vorbild, Schreckgespenst oder was sonst?

Wir alle kennen die Bilder: Teach-ins und Redeschlachten in überfüllten Hörsälen, Demonstrationen, Blockaden, Institutsbesetzungen, Langhaarige in Jeans und Parka, in der einen Hand die Milchtüte, in der anderen das Megafon, davor die Phalanx der Polizisten und an den Fenstern rundum Frauen und Männer, die verdutzt und indigniert dem Treiben der jungen Rebellen zusehen. Wie lange ist das her? 50 Jahre. Und in zehn Jahren werden wir uns vermutlich wieder daran erinnern, wie wir uns bei passender Gelegenheit anderer runder Jahrestage erinnern: des Ausbruchs oder Endes des Ersten oder Zweiten Weltkriegs, des Baus der Berliner Mauer oder ihrer Öffnung, der Mondlandung oder des Reaktorunglücks von Tschernobyl. Die Studentenbewegung gehört mittlerweile zum Gedenkfundus der Republik, die wir beizeiten hervorholen, um den Zeitablauf zu bebildern.

Aber die Geschichte ist kein Bilderbuch. Das Vergangene lebt fort, auch dann, wenn es verdrängt, verleugnet, ins Museum verbannt wird wie das andere 68, das sich jenseits des Eisernen Vorhangsereignete und damals die revolutionäre Jugend im Westen viel zu wenig interessierte: der Prager Frühling und seine brutale Unterdrückung durch die Armeen des Warschauer Paktes. Wenn in der Bundesrepublik heute von 68die Rede ist, dann im Grunde immer nur vom Studentenprotest in der Bonner Republik. Die Geschehnisse jenseits der Systemgrenze und der nicht nur untergründige Zusammenhang mit denen im Westen kommen nur selten in den Blick. Dabei haben die Reformen, die die Politiker und Intellektuellen um Alexander Dubček, Ludvík Vaculík, Eduard Goldstücker, Václav Havel und Ota Šik in der damaligen ČSSR in Angriff nahmen, auch nach der Niederlage der Reformbewegung weitergewirkt, etwa in der polnischen Gewerkschaft Solidarność und dem »Wunderjahr« 1989, das in der Folge Europa und die Welt grundlegend veränderte.

Was von unserem, dem westlichen 68 verdient es im kollektiven Gedächtnis aufbewahrt zu werden? Wie ist der Aufbruch der rebellischen Jugend zu interpretieren und welche Lehren sollen daraus gezogen werden? Das ist zwischen den politischen Parteien und Lagern umstritten und längst auch Gegenstand konkurrierender Geschichtspolitiken geworden. Die einen basteln immer noch unverdrossen oder wehmütig an ihrem revolutionären Heldenepos und an ihren legitimatorischen Legenden, die anderen an der kollektiven Dämonisierung der 68er. Und dann und wann bemühen sich Historiker und Zeitzeugen um ein halbwegs adäquates Bild der Zeit, das dann unweigerlich Licht und Schatten enthält, in jedem Fall bunter ist als die Schwarz-Weiß-Bilder aus den Film- und Fernsehaufnahmen jener Zeit.

Über die Studentenbewegung und die 68er ist unendlich viel geschrieben worden, das meiste allerdings über den zahlenmäßig eher unbedeutenden, aber wegen der spektakulären Aktionen und der martialischen Rhetorik besonders auffälligen Teil, welcher dogmatische Kleinstparteien und sektiererische Zirkel bildete oder wie die Rote Armee Fraktion (RAF) in die Gewalt abdriftete. In konservativen Kreisen der Bundesrepublik war es lange üblich, die 50er und frühen 60er Jahre als Zeitalter gesicherter Freiheit, des Bürgerfleißes und des verdienten Wohlstands für alle zu idyllisieren und im Studentenprotest nichts als das Zerstörungswerk gelangweilter Wohlstandskinder oder kommunistischer Unterwanderer zu erblicken. Zuweilen werden die 68er auch heute noch für den stereotyp beklagten »Werteverfall«verantwortlich gemacht, als hätte es – von Ronald Inglehart bis Wolfgang Zapf – all die akribischen Untersuchungen über den Wertewandel und seine komplexen Ursachen gar nicht gegeben.

Auf der anderen Seite gab und gibt es ergraute 68er, die den Jüngeren mit ihren Veteranenlegenden und ihrem zur Pose erstarrten Antikapitalismus, auch mit ihrer inszenierten Verzweiflung über die ausbleibende »Revolution« so sehr auf den Wecker gingen, dass sich diese aus Trotz – ästhetisch und ideologisch – bewusst als Anti-68er inszenierten, sich unpolitisch gaben und ihre eigene Unverwechselbarkeit durch demonstratives Tragen von Markenkleidung zu belegen trachteten. Bei den Problemen, die die Nachfolgegeneration mit den 68ern hatte, dürften allerdings auch ganz normale Konflikte um die Elitenablösung eine erhebliche Rolle gespielt haben. Denn als die 68er ihr Studium abschlossen, trafen sie auf einen Arbeitsmarkt, der gerade in den qualifizierten Sektoren, im Medien- und im Bildungssektor und im tertiären Sektor der Wirtschaft, gewaltig expandierte. Als die Expansion in den 80er Jahren zu Ende ging, waren sie immer noch auf den Posten, die die Vertreter der nachfolgenden Generation anstrebten, waren ihnen also im Weg. Es ist durchaus nichts Ungewöhnliches, dass eigentlich simple Konflikte um die Elitenablösung ideologisch überhöht werden. Vor allem bei den heute 40- bis 50-Jährigen lässt sich eine verbreitete pauschale Abneigung gegen die 68er zumindest zum Teil so erklären.

Zuweilen wird auch von ehemaligen Protagonisten der Bewegung der Eindruck erweckt, ein »richtiger« 68er sei seinerzeit entweder Maoist, Trotzkist oder Anarchist gewesen, habe Steine auf Polizisten geworfen, mit der RAF oder den Roten Zellen sympathisiert und bestenfalls Mitte der 70er oder Anfang der 80er Jahre gemerkt, dass er auf dem falschen Dampfer sei, habe sich dann flugs in einen braven Verfechter der parlamentarischen Demokratie verwandelt und damit das Recht erworben, jungen Leuten, die sich heute politisch engagieren wollen, schulterklopfend gute Ratschläge zu erteilen. Natürlich hat eine solche Selbstdarstellung auch die Funktion, eigene Fehler in milderem Licht erscheinen zu lassen: Wenn damals angeblich alle oder so gut wie alle mit Steinen warfen, mit Terroristen sympathisierten und kommunistische Diktatoren zu ihren Helden erkoren, dann war sozusagen die Zeit daran schuld und nicht man selber.

Ich halte von legitimatorischen Legenden der einen oder anderen Sorte wenig, weil ich mich nur zu gut daran erinnere, welche Engherzigkeit und Bigotterie in der Adenauerzeit herrschte, dass es mit der Freiheit im Alltag der Bonner Demokratie nicht weit her war, dass überall selbst ernannte Gouvernanten und Blockwarte junge Leute meinten gängeln zu müssen, dass Duckmäuserei vor Autoritäten üblich und der für die Demokratie konstitutive kritische Geist in der Schule, in der Universität, in den Medien, in der Arbeitswelt eine Seltenheit war. Und auch daran erinnere ich mich, dass Fehlentwicklungen wie dogmatische Verengungen und sektiererische Intoleranz innerhalb der Studentenbewegung selbst von Anfang an kontrovers diskutiert wurden. Als in den 70er Jahren eine kleine Gruppe um Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhoff die RAF gründete und Anschläge verübte, fand das keineswegs, wie zuweilen behauptet wird, die klammheimliche Zustimmung der großen Masse der aufrührerischen Jugend, vielmehr distanzierten sich die meisten, übrigens auch Rudi Dutschke, eindeutig von diesem Irrweg der Gewalt.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die 68er insgesamt, naiv und unerfahren wie sie waren, mehr oder weniger zwangsläufig zur Beute dogmatischer Heilslehren und eines simplen Freund-Feind-Denkens wurden. Die große Mehrheit von ihnen – auch die Mehrheit des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), erst recht die Jungsozialisten, die Gewerkschaftsjugend, die Falken, die vielen jungen Leute in den liberalen und christlich geprägten Studentenorganisationen – sprach sich von Anfang an dezidiert gegen Gewalt als Mittel der Politik aus und begab sich auf einen Weg der Reformen. Für mich und Tausende anderer führte dieser Weg in die SPD. Mit dem Anspruch, die Partei programmatisch und in ihrer Praxis am demokratischen Sozialismus auszurichten, mit radikaldemokratischen Vorstellungen von innerparteilicher Demokratie, mit unbändiger Lust an kontroversen Diskussionen, aber zugleich in der Überzeugung, dass konkrete Veränderungen wichtiger sind als revolutionäre Posen und Rechthaberei.

Nun hat aber der Soziologe Heinz Bude in seinem Buch Adorno für Ruinenkinder, das er selbst – in Anlehnung an einen Begriff aus der Popkultur – einen Remixseines früheren Buches Das Altern einer Generation (1995) nennt, ein ganz anderes Bild der 68er gezeichnet. Seine These: »68 ist nicht Weltveränderung, sondern Selbstveränderung.« Er erläutert diese These an einigen Lebensläufen von 68ern, die ihm bei allen Unterschieden für die Bewegung typisch erscheinen, darunter bekannte Namen wie Fritz Teufel, Peter Märthesheimer, Bob Dylan, Rolf-Dieter Brinkmann und Jean Améry, aber auch weniger bekannte wie Camilla Blisse, Klaus Bregenz und Adelheid Guttmann.

Der typische 68er ist für ihn in der Trümmerlandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Vater aufgewachsen, sieht um sich herum eine Erwachsenenwelt, die verstockt und verblendet das begangene Unrecht leugnet, und im Wiederaufbaueifer nichts anderes im Sinn hat, als die Lücken und Risse im Vergangenen zu übertünchen. In dieser bedrückenden Szenerie folgt er allen ästhetisch-expressiven Signalen des Neuen auf der Suche nach einem anderen Erlebnis von Welt. »1968 hieß vor allem Politik in der ersten Person, was besagte, dass man das persönliche Unglück als gesellschaftliches Unrecht bezeichnen und erfahren durfte«. Und: »Die Revolution ist die Vollendung einer radikalen Reflexion, die Revolte das Durchstarten von Leuten, die nicht wissen, was sie wollen und wer sie sind.«

Zweifellos ist hier ein Moment der Bewegung klar benannt, aber ebenso unzweifelhaft kann dies nicht für die ganze Breite der Bewegung als charakteristisch angesehen werden. Die vielberedete und wohl auch maßlos überschätzte sexuelle Befreiung (die für die Frauen ohnehin erst später mit der Pille und dem Anwachsen der Frauenbewegung erfolgte) und die von Timothy Leary, Carlos Castaneda und anderen Gurus propagierte Bewusstseinserweiterung durch die Einnahme von Drogen ist sicher hier einzuordnen, ist aber wie so vieles an den sensationellen Merkmalen der Bewegung, wenn man genau hinschaut, zumindest auch eine Reprise ähnlicher Erscheinungen aus den 20er Jahren des 20. und – bezüglich der Drogenexperimente – sogar des frühen 19. Jahrhunderts, wie der berühmte Roman von Thomas De Quincey Confessions of an English Opium-Eater von 1821 zeigt. Es gab in der Tat Exzesse egozentrischer Selbstverwirklichung in der berühmt-berüchtigten Kommune I und in Teilen der Beat- und Popszene, es gab den leichtfertigen und gedankenlosen Umgang mit Drogen wie LSD und Marihuana. Aber die allermeisten 68er waren weder sexbesessen noch glaubten sie an die befreiende und bewusstseinserweiternde Wirkung von Drogen; sie verfolgten dieses selbstbezügliche Treiben vor allem deshalb mit einem voyeuristischen Vergnügen, weil sich die zumeist spießige Erwachsenenwelt darüber so maßlos aufregte. Ein Vor- und Leitbild für ihr eigenes Leben sahen sie darin freilich nicht.

Die große Mehrheit der 68er hat sich – manche schon früh, andere später – durchaus der Aufgabe gestellt, in einer komplizierten und widersprüchlichen Welt strukturelle Veränderungen voranzubringen, die – um Adorno gegen Adorno zu zitieren – möglichst allen Menschen ermöglichen sollten, ein (halbwegs) »richtiges Leben im falschen« zu führen (Minima Moralia). Es ging keineswegs allen stets nur um egozentrierte Selbstverwirklichung, sondern zumeist auch darum, die Realbedingungen der Gesellschaft schrittweise so zu verbessern, dass in ihnen aufrechter Gang möglich wurde. Dies räumt auch Bude selbst ein, indem er – offenbar mit einem gewissen Erstaunen – feststellt, dass der ebenfalls vaterlos aufgewachsene 68er Gerhard Schröder mit der rot-grünen Koalition außer dem Dosenpfand auch noch den Ausstieg aus der Atomenergie, die Öffnung des Staatsbürgerrechts für Deutsche nichtdeutscher Herkunft und das »Nein« zum Irakkrieg der USA zustande brachte. Gretchen Dutschke hat zweifellos recht, wenn sie in ihrem Buch 1968. Worauf wir stolz sein dürfen darauf hinweist, dass der antiautoritäre Impuls der 68er-Bewegung wesentlich dazu beigetragen hat, aus Deutschland eine »normale« westliche Demokratie zu machen.

Zwar ist von der damaligen Begeisterung für die sozialistische Idee, den Befreiungskampf der Völker der »Dritten Welt« und die Weltrevolution bei den meisten heute nicht viel übrig geblieben. Aber umsonst war der Aufstand gegen die spießige Enge des Adenauer-Staats und ihre allzu selbstgefälligen Autoritäten dennoch nicht. Der Protest der Jugend gegen Bevormundung, Heuchelei und einfallslose Routine hat in der Tat entscheidenden Anteil daran, dass die Bundesrepublik in den 70er und 80er Jahren allmählich eine nach westlichen Maßstäben »normale« Demokratie geworden ist. Dass Menschen heute auf die Straße gehen, um ihrem Protest sichtbaren Ausdruck zu geben, dass Macht in Staat und Gesellschaft sich rechtfertigen muss, dass Bürger sich in Initiativen zusammenschließen und sich behördlichen Anordnungen, die sie für falsch und ungerecht halten, widersetzen, dass sich so viele junge und ältere Menschen heute in Flüchtlingsinitiativen und anderen sozialen Projekten engagieren, dass so viele Menschen sich in NGOs für die Interessen der Menschen in der vormals sogenannten »Dritten Welt« einsetzen – dies alles wurde in Deutschland erst in der Folge der Studentenbewegung allmählich Bestandteil unserer politischen Kultur.

Und noch eines ist wichtig: Das »kommunikative Beschweigen« der Nazi-Vergangenheit war bis weit in die 60er Jahre hinein nur von wenigen Intellektuellen und Politikern durchbrochen worden. Der Ungeist lebte in der Alltagssprache und -praxis eines Großteils der Elterngeneration fort. Viele Nazi-Verbrecher lebten in Deutschland und in Österreich immer noch unbehelligt, nicht wenige sogar unter ihrem Klarnamen. Von einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der verbrecherischen Vergangenheit der Deutschen konnte bis auf Ausnahmen nicht die Rede sein. Auch hier hat der Aufstand der 60er Jahre eine heilsame Veränderung bewirkt, die allerdings, wie wir heute wieder erkennen müssen, keineswegs für alle Ewigkeit gesichert ist.

Ursachen von Fehlentwicklungen

Natürlich, es gab den Dogmatismus linker Sekten, die Verachtung für die formale Seite der Demokratie, den fahrlässigen Umgang mit Begriffen wie »Gewalt« und »Faschismus«, es gab den Terrorismus von links. Aber diese Fehlentwicklungen, für die die 68er, ob sie wollen oder nicht, eine Teilverantwortung tragen, schmälern nicht die Bedeutung des Aufbruchs, dessen Grundimpuls ein humanistischer und radikaldemokratischer war. Statt die Bewegung pauschal zu verklären oder zu dämonisieren, wäre es sinnvoll nach den Ursachen dieser Fehlentwicklungen zu fragen.

Zunächst sollte man daran erinnern, dass auf die anfangs völlig gewaltfreien Demonstrationen die Gesellschaft als ganze, besonders die Polizei und die erdrückende Mehrheit der Medien, völlig unangemessen reagierte. Viele Politiker und ein Großteil der Medien, insbesondere die Springer-Presse, begegneten der Kritik nicht mit Argumenten, sondern mit Unverständnis, Verleumdung und Verfeindung. Geprügelt wurde anfangs – vor allem in Berlin – nur vonseiten der Polizei, und der erste Tote, Benno Ohnesorg, war ein friedlicher Student, am 2. Juni 1967 erschossen unter höchst dubiosen Umständen von einem Berliner Polizisten. Erst nach dem Attentat auf Rudi Dutschke im April 1968 setzte sich in kleinen Gruppen der Bewegung die wahnhafte Vorstellung durch, dass man es in der Bundesrepublik mit einem genuin faschistischen Regime zu tun habe. Eine kluge Polizeiführung, die auf Deeskalation setzt, Politiker, die das Gespräch suchen, statt Hass zu schüren, eine Presse, die halbwegs objektiv berichtet, all das hätte sicher manche brutale Gegenreaktion verhindern und den Propagandisten des »bewaffnetenKampfes« ihre Scheinlegitimation nehmen können.

Aber es gibt auch Ursachen für die Fehlentwicklungen, die die Akteure der Studentenbewegung selbst zu verantworten haben. Da ist zunächst die Neigung zu einer martialischen Sprache und zu verbaler Herabsetzung politischer Gegner, die bei nicht wenigen schon früh zu beobachten war. Sprache ist nicht unschuldig, unbedachte Sprachgewohnheiten können den Weg zu einer destruktiven Praxis ebnen. Verheerend wirkte sich meiner Meinung nach auch die vulgär-marxistische Auffassung aus, dass nur die immer weiter getriebene Zuspitzung der Widersprüche Fortschritt erzeuge. Diese damals verbreitete Ansicht verführte manche Aktivisten dazu, Kompromisse und Teillösungen zu verteufeln und Konflikte ständig weiter zu radikalisieren. Sie war wohl auch der Hauptgrund dafür, dass nicht die ausgesprochen rechten Professoren, sondern gerade ihre gemäßigt linken Kolleg/innen, Sozialdemokraten wie Richard Löwenthal, Gesine Schwan und Kurt Sontheimer, von den radikalen Gruppen zu ihren Erzfeinden erklärt und nicht selten durch die Konfrontation dann tatsächlich nach rechts getrieben wurden.

Aus dem Abstand von nunmehr 50 Jahren kann man heute gelassener beurteilen, was an dem Aufbruch der Studierenden richtig und fruchtbar war und was in gefährliche Sackgassen führte. Wohlfeile Rezepte für die heutige Jugend lassen sich aber daraus allerdings nicht destillieren. Jede neue Generation wird ihren eigenen Weg suchen müssen. Gerade heute, angesichts der sozialen und kulturellen Verheerungen, die der entfesselte Kapitalismus überall auf der Welt anrichtet, scheint mir allerdings, dass da im Sinne Ernst Blochs noch etwas »unabgegolten« ist, das nach Fortsetzung verlangt und nach Übersetzung in die Sprache und die Bilder unserer Zeit. Insofern macht es heute auch praktisch Sinn, des Aufstands der unruhigen Jugend von 1968 zu gedenken, deren Kinder und Enkel, auch wenn sie dies manchmal zu vergessen scheinen, sich ihre Welt erst noch werden erkämpfen müssen.

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