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© Foto: picture alliance / dpa | Ole Spata

Ein Fünf-Punkte-Plan für einen erfolgreichen globalen Klimaschutz Vorreiterrolle, bitte!

 

Temperaturrekorde auf dem gesamten Globus, Waldbrände ungekannter Dimension, extreme Regenfälle samt enormen Überschwemmungen wie zuletzt in Deutschland machen deutlich, wie sich der beginnende Klimawandel anfühlt und enorme wirtschaftliche Schäden mit sich bringt. Der jüngste Bericht des Weltklimarates (IPCC) hat einmal mehr deutlich gemacht, dass schnell gehandelt werden muss. Dieser Bericht ist der lauteste und letzte Weckruf der Klimawissenschaft, das Ruder in Richtung eines konsequenten Klimaschutzes herumzureißen.

Die ersten gravierenden Auswirkungen des Klimawandels sind global ablesbar. Die letzten zehn Jahre waren die wärmsten seit 125.000 Jahren. Die gute Nachricht ist: Es ist durchaus noch machbar, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten und die irreversiblen Klima-Kipppunkte nicht komplett zu überschreiten. Die schlechte Nachricht ist: Es bleibt nur sehr wenig Zeit. Dies bedeutet, dass keine Investitionen in fossile Energien mehr fließen dürfen, weder in Kohle, Öl oder fossiles Erdgas, sondern nur noch in erneuerbare. Die Weltnationen müssen schneller handeln als bisher. Das Pariser Klimaabkommen muss endlich konsequent umgesetzt werden. Umso wichtiger, dass die beteiligten Nationen endlich Klimaschutz prioritär umsetzen.

Die Bundestagswahl hat in Deutschland dafür eine neue Grundlage geschaffen – auch und gerade für die Weltklimakonferenz in Glasgow. Diese ist deshalb so wichtig, weil viel zu lange Zeit ohne effektiven Klimaschutz vergeudet wurde. Die Politik steht an einem Wendepunkt: Sechs Jahre nach Unterzeichnung des Pariser Abkommens und 40 Jahre nach den ersten wissenschaftlichen Klimaberichten kommt nach 25 Jahren widersprüchlicher politischer Entscheidungen so langsam Bewegung in Richtung echten politischen Handelns.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union arbeiten daran, im Rahmen des European Green Deals und »Fit for 55«-Programms die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % unter das Niveau von 1990 zu senken. US-Präsident Joe Biden hat sich wieder dem Pariser Abkommen angeschlossen und ein durchaus bemerkenswertes Klimaprogramm im eigenen Land durchgesetzt. Gemäß dem Pariser Abkommen haben sich die Vereinigten Staaten verpflichtet, ihre Kohlenstoffemissionen bis 2025 um 25 % unter das Niveau von 2005 zu senken. Der chinesische Präsident Xi Jinping kündigte auf einem virtuellen Klimagipfel an, dass China seine Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 65 % unter das Niveau von 2005 senken und bis dahin 25 % des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen decken wird.

Jüngst verkündete er, dass er keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr finanzieren wird. All dies sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Sie kommen spät. Wird dies ausreichen, um die Klimakrise abzuwenden? Leider nicht. So erfreulich die Nachricht auch ist, dass endlich gehandelt wird, dass der Klimaschutz endlich ganz oben auf der politischen Agenda steht, wo er hingehört. Aber: Weder das Ambitionsniveau noch das Umsetzungsniveau reichen aus, um die Pariser Beschlüsse zu erreichen. Und diese selbst sind nicht ambitioniert genug, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, geschweige denn auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dies würde eine Reduzierung der Emissionen um 80 % bis 2030 erfordern und eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen.

Was wir brauchen, ist ein schneller Übergang zu einer 100-prozentig sauberen, erneuerbaren Energieversorgung. Dieser umfasst die Elektrifizierung fast aller Bereiche – Verkehr, Heizen und Kochen, industrielle Prozesse – und die Vollversorgung mit Strom. Aufgrund der Effizienz von erneuerbarer Elektrizität im Vergleich zu fossiler und nuklearer Energie kann diese Elektrifizierung den Primärenergiebedarf um mehr als 50 % senken, aber die Nachfrage nach Strom wird erheblich steigen. Elektrizität ist das neue Öl. Zu den sauberen, erneuerbaren Energiequellen gehören Onshore- und Offshore-Windenergie, Photovoltaik auf Dächern und in Kraftwerken, konzentrierte Solarenergie, Solarthermie zur Wärmeerzeugung, geothermische Elektrizität und Wärme, bestehende Wasserkraft, Gezeiten- und Wellenenergie.

Diese Arten von Strom und Wärme werden alle von Wind-, Wasser- und Sonnenenergiequellen bereitgestellt. Die Speicherung umfasst Strom, Wärme, Kälte und umweltfreundliche, nachhaltige Wasserstoffspeicher. Zahlreiche Studien belegen, dass eine Vollversorgung mit 100 % erneuerbaren Energien niedrigere Energiesystemkosten verursacht als eine Versorgung mit konventioneller Energie. Und es kann schnell umgesetzt werden. In den 15 Jahren, die bei teuren Atomkraftwerken oder Kraftwerken mit CO2-Abscheidung und -Speicherung von der Planung bis zum Bau verloren gehen, kann bereits eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erreicht werden.

Die neue Energiewelt zeichnet sich durch mehr Dezentralität, Flexibilität und Intelligenz aus. Vor allem ist sie demokratischer, denn jeder beteiligt sich an der Energiewende, indem er Energie durch Solaranlagen oder eigene Blockheizkraftwerke produziert, Batteriespeicher über das Elektroauto mittels »Blockchain« bereitstellt und den Energiemarkt dezentral selbst gestaltet.

Um die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, ist schnelles Handeln und eine entschlossene Umsetzung erforderlich. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird das Klimabudget in sieben Jahren erschöpft sein. Die Uhr tickt. Die Klimakonferenz in Glasgow COP26 muss eine neue Ära des echten Klimaschutzes ohne Greenwashing und eine Energiewende hin zu 100 % erneuerbaren Energien einleiten.

Fünf wichtige Punkte sind entscheidend:

Erstens: Investitionsallianz hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien. Global wird ein massiver Zubau erneuerbarer Energien notwendig sein, um die Emissionen in den nächsten Jahrzehnten auf Null zu senken. Die Nationen sollten sich dazu verpflichten, das Ausbautempo mindestens zu verdreifachen. Entwicklungsländern sollte mittels eines Erneuerbare Energien Förderfonds finanziell geholfen werden. Industriestaaten, allen voran die G7-Staaten sollten sich als Klima-Allianz zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien verpflichten. Deutschland sollte zum Vorreiter werden und alles dafür tun, dass eine Vollversorgung rasch umgesetzt wird. In Deutschland wird eine Vervierfachung des jetzigen Ausbautempos benötigt. Wir brauchen dafür Solarenergie auf allen Dächern und mehr Windenergie – auch im Süden Deutschlands. Dafür muss man Marktbarrieren abbauen, Genehmigungsverfahren vereinfachen, Flächen ausweisen, die nicht mit dem Naturschutz in Konflikt stehen und alte Anlagen schnellstmöglich erneuern.

Zweitens: Ausstieg aus fossilen Energien. Stopp jeglicher Investitionen in fossile Energie sowie Pipelines. In Glasgow sollte die Staatengemeinschaft der Klima-Allianz mit den höchsten Anteilen fossiler Energien eine Verpflichtungsvereinbarung zum Stopp von Investitionen in fossile Energien unterzeichnen. In Ländern mit noch immer hohen Anteilen fossiler Energien sollten Ausstiegspläne für Kohle, Öl und Erdgas vereinbart werden. Ein globaler »Stopp-Fossil-Finanzierungsfonds« sollte Ländern mit hohen fossilen Ressourcen samt Einnahmen aus fossilen Verkäufen helfen, die Ökonomien auf erneuerbare Energien umzubauen.

Drittens: Klima-Transparenz der globalen Finanzmärkte. Statt Klimarisiken und toxisches fossiles Kapital samt Carbon Bubbles zu verschweigen wird dringend volle Transparenz im Finanz- und Bankensektor benötigt. Die Klimarisiken- und Transparenzpflicht sollte für den gesamten Finanzmarkt global eingeführt werden. Auch in den Quartalsgeschäftsberichten der Unternehmen müssen Klimarisiken und fossiles Kapital verpflichtend ausgewiesen werden. Statt Investition in fossiles Kapital sollte nur die Finanzierung von erneuerbaren Energien möglich sein. Zudem müssen global jegliche fossile Subventionen unverzüglich abgeschafft werden.

Viertens: Weltweite Verpflichtung für ausschließlich grünen Wasserstoff. Nur grüner – aus erneuerbarem Strom hergestellter – Wasserstoff ist wirklich gut fürs Klima, da emissionsfrei. Blauer, also aus fossilem Erdgas hergestellter Wasserstoff verursacht klimawirksame Treibhausgase, die Einlagerung von CO2 erfordert Investitionen in CO2-Pipelines samt Speicher. Blauer Wasserstoff ist umweltriskant und somit klimaschädigend. Investitionen in neue Infrastrukturen schaffen falsche Pfadabhängigkeiten und verhindern den Umstieg auf erneuerbare Energien.

Fünftens: Definition von klimaneutral als emissionsfrei. Ohne massive Emissionsminderung werden die Pariser Klimabeschlüsse verfehlt. Statt Emissionen zu neutralisieren sollten sie gar nicht erst entstehen. Eine »Neutralisierung« der Emissionen klingt verlockend: So hat der Ozean etwa ein Viertel unserer CO2-Emissionen aufgenommen. Wälder, Böden und Moore sind sogar für etwa ein Drittel verantwortlich. Aber: Diese Speicherung liegt vor allem am Anstieg des CO2 selbst und dem Nachwachsen von Wäldern auf Brachflächen. Staaten und Unternehmen drängen jetzt aber immer mehr darauf, die gleichen natürlichen Senken noch einmal zur Erreichung der Ziele der Klimaneutralität anrechnen zu lassen. Das ist Etikettenschwindel, da derartige natürliche Senken bei der Treibhausgasmessung durch IPCC bereits einbezogen wurden. Senken werden also doppelt verrechnet. Aus diesem Grund brauchen wir den Schutz der natürlichen Ökosysteme und die Klimaneutralität, und nicht natürliche Senken als Mittel der Klimaneutralität. Dies bedeutet: Statt Emissionen zu neutralisieren sollten sie gar nicht erst entstehen. Die Nationen sollten sich dazu verpflichten, die Emissionen in drei Jahrzehnten auf Null abzusenken. Ohne Greenwashing.

Deutschland sollte eine Vorreiterrolle einnehmen und im eigenen Land ernsthaften Klimaschutz hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien konsequent umsetzen. Global sollte Deutschland zusammen mit Europa, den USA und weiteren willigen Ländern eine Klima-Allianz für den Ausstieg aus fossilen Energien und dem Einstieg in eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien gründen. Wenn dies gelänge, wäre es eine wahrlich erfolgreiche Klimakonferenz. Es ist höchste Zeit dafür. Es ist eine letzte Chance, um das Klima-Ruder herumzureißen. Wir müssen alles dafür tun, dass dies gelingt.

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