NG|FH:Herr Faas, schon die Koalitionsgespräche waren anders als sonst. Zuerst klopfen die Chefs die großen Kompromisse fest, dann erst verhandeln die Parteien. Ein Kulturwandel?
Thorsten Faas: Es sind ja schon deshalb sehr ungewöhnliche Koalitionsverhandlungen, weil wir diese Konstellation mit mehreren möglichen Optionen noch nie hatten. Zudem haben alle das Scheitern der Jamaika-Gespräche 2017 sehr genau angeschaut. Kein Vertrauen, keine Gesprächsbasis, in den Details verloren: Sie haben das alle noch im Hinterkopf.
Nach einem Wahlkampf, der auf wenige Spitzenfiguren reduziert war, folgen jetzt Verhandlungen, in denen die Chefs alles prägen?
Alle wissen, dass es inhaltlich sehr schwierige Verhandlungen sind, dünnes Eis. Selbst wenn es nach außen heißt: konstruktiv, ernsthaft, gute Atmosphäre – es bleibt schwierig. Und dazu kommt: Die Basis von Parteien ist da immer die große Unbekannte. Angesichts der immensen Herausforderung war das dann erst mal Chefsache, quasi ein Elitenprojekt. Sicherlich wird die Basis, werden die Mitglieder noch intensiv einbezogen werden, werden am Ende auch über einen Koalitionsvertrag abstimmen. Diese Art der Einbeziehung ist ja ein wichtiges Element für die Verhandlungen selbst, schon als Drohkulisse. Aber das Aufbauen der Ampel war jetzt erst mal Chefsache: Das Murren der Basis war ja durchaus schon zu hören. Und man muss einfach sehen: Viele Mitglieder von Gelb und Grün, aber auch von Gelb und Rot haben nicht gerade die beste Meinung voneinander.
Damit zusammenwächst, was nicht zusammen gehört?
Das ist ein großes Wort… Und natürlich gilt das in gewisser Weise immer für Koalitionen, dass da was zusammenwachsen muss, was erst einmal getrennt ist. Aber jetzt sprechen wir von Bündnissen, in denen mindestens ein Partner über die traditionellen Lagergrenzen hinweg springen muss. Das wollen die Wählerinnen und Wähler dieser Parteien nicht so gerne. Erst recht wollen es viele Mitglieder nicht so gerne. Man sieht es bis heute in Rheinland-Pfalz: Obwohl die Ampel dort im März bestätigt wurde, finden Sie bis heute bei den Anhängerinnen und Anhängern der FDP nicht nur Begeisterung für das Koalitionsmodell. Insgesamt muss man festhalten: Es ist schon eine riesige Herausforderung, dass die Wahlergebnisse Parteien zueinander zwingen, die nicht wirklich Lust darauf haben. Das ist etwas, was unsere Demokratie insgesamt vor neue Fragen stellt, auf allen Ebenen: mediale Begleitung, Wahlverhalten, Parteistrategien. Auch demokratietheoretisch wirft das ja durchaus Fragen auf, wenn ich vor einer Wahl gar nicht mehr absehen kann, was nach einer Wahl eigentlich passieren wird…
Nun gab es die schnelle These, dass sich jetzt ein grundlegend anderes Parteiensystem durchgesetzt habe. Mehrere mittelgroße Parteien im Wettstreit um die Führungsrolle, einige kleinere als mögliche Koalitionspartner. Ist die These richtig oder ist sie falsch?
Wir hören da viele Thesen, mitunter auch sehr steile Thesen. Ende der Volksparteien, neue Konfliktachsen. Da ist sicher was dran, aber ich wäre da doch etwas vorsichtiger. Die eigentliche Konstante des Wahljahres war eine sehr große Dynamik und Beweglichkeit. Die verschiedenen Landtagswahlen haben ja immer auch gezeigt, dass einzelne Parteien aber immer noch sehr erfolgreich sein können. Zuletzt die SPD mit Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern, davor die CDU mit Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt, die SPD mit Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, zuvor auch die Grünen mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Alle klar über 30 % – das geht also noch. Natürlich kann Beweglichkeit auch dazu führen, dass eine Partei 30 oder sogar 40 % wird erreichen können. Aber die Sicherheit ist weg, die wir kannten. Es kann sehr, sehr weit nach unten gehen, aber auch umgekehrt sehr, sehr weit nach oben – hin zu Größenordnungen, in denen wir klassisch von Volksparteien sprachen.
Bedeutet das für den Bund nach dem Scheitern des Führungsanspruchs der Grünen, dass über das Kanzleramt weiterhin nur zwischen Union und SPD entschieden werden wird?
Die knapp 15 % der Grünen bringen die Ambivalenz des Wahlergebnisses sehr gut auf den Punkt. Einerseits ist das für eine grüne Partei das beste bisherige Ergebnis auf Bundesebene, andererseits ist es für sie aber auch eine riesige Enttäuschung. Man sieht, wie viel kurzfristig schief gehen kann.
»Bei all den Bewegungen im Parteiensystem sieht man aber auch Konstanten, etwa die Bedeutung und Anziehungskraft von Amtsinhabern.«
Man sieht aber auch Konstanten: Schauen Sie auf Baden-Württemberg:Da lagen Grüne und SPD vor zehn Jahren noch in etwa gleichauf bei jeweils 24/25 %. Wenn man betrachtet, wie sehr sie sich dort auseinanderentwickelt haben, die Grünen nach oben und die SPD nach unten, dann sieht man eine zweite Konstante bei all den Bewegungen im Parteiensystem heutzutage: die Bedeutung von Amtsinhabern und die davon ausgehende Anziehungskraft von Personen. Und die Grünen tun sich, von Kretschmann abgesehen, generell schwerer als Union und SPD.
Man muss einfach sehen, dass Annalena Baerbock noch zu Beginn des Wahljahres einen Bekanntheitsgrad von nur rund 50 % hatte. Damit können sie weniger fixe Orientierung anbieten, als es im Wahlkampf jetzt mit Scholz im positiven und mit Laschet im negativen Sinn der Fall war. Und wir haben erneut gesehen, dass Umweltpolitik und speziell Klimaschutz als Zentralthemen in der heißen Phase einer Kampagne schwierig werden – wenn zugespitzt und heruntergebrochen werden muss auf die Konsequenzen im Alltag.
Ist die SPD wiederauferstanden, weil sich ihr Potenzial in Wahrheit gar nicht so verkleinert hat, wie lange behauptet wurde?
Der Wahlausgang zeugt natürlich von grundsätzlich günstigen Umständen für die Sozialdemokratie. Für die Union stehen schwierige Monate, vielleicht auch Jahre bevor – und das kommt nicht überraschend. Mag sein, dass es durch die Pandemie ein Stück weit überdeckt wurde, aber wenn wir uns mal die Personalalternativen der vergangenen Jahre ansehen, dann war doch klar erkennbar, dass die Union nicht wirklich wusste, wofür sie gerade steht. Schon gar nicht, wo sie hinwill. Kramp-Karrenbauer gegen Merz, Laschet gegen Merz und Spahn, Laschet gegen Söder: Das waren innerhalb von zwei Jahren drei wirklich schwierige, umkämpfte und am Ende knappe Entscheidungen ohne positive Ausstrahlung. Auf der anderen Seite stand eine SPD, die zwar viel belächelt wurde, die in Umfragen auch tief gesunden war, die aber doch für viele immer die »beste zweite Wahl« gewesen ist, wie es der Kollege Aiko Wagner mal ausgedrückt hat. Wählbar geblieben, respektabel, nicht unbedingt polarisierend. Das genau war jetzt die Chance, das Vakuum nach Merkel zu füllen.
Ist die Rolle der SPD in der neuen Koalition eigentlich besonders einfach, weil sie in der Mitte steht und das Monopol für ihr Kernthema Soziales hat? Oder ist sie besonders schwer, weil die beiden anderen – vor allem die FDP, aber in gewisser Weise auch die Grünen als zweite liberale Partei – keine linke Politik zulassen und die SPD mit ihren Kernthemen alleine bleibt?
In der Politikwissenschaft wird das deutsche Parteiensystem, das wir gerade beobachten, typischerweise auf zwei Achsen beschrieben. Die eine ist die sozioökonomische Achse, da geht es um die materiellen Fragen und die Staatsrolle. Das andere ist die kulturelle Achse: Sind wir traditionell-konservativ oder eher modern-progressiv, liberal-weltoffen? Die Chance für die Ampel ist im Unterschied zum Jamaika-Bündnis, dass alle drei Parteien sich auf der kulturellen Achse vergleichsweise einig sind.
Auf der ökonomischen Achse ist es weit schwieriger. Sozioökonomisch gesprochen sind sich Grüne und SPD an vielen Stellen zwar sehr ähnlich, aber von der FDP trennt sie vieles. Das ist nun das entscheidende Spannungsfeld in der Koalition. Aus Sicht der Parteistrategen der SPD würde ich die Ampelkoalition trotzdem optimistisch sehen. Wir sprechen nicht umsonst von einer Kanzlerdemokratie: Es macht da einen großen Unterschied, ob der Kanzler Scholz oder Laschet heißt, auch wenn FDP und Grüne durch ihre Vor-Vor-Sondierungen da erst einmal einen anderen Eindruck erwecken wollten.
Auch wenn die FDP, zum Beispiel steuerpolitisch, die sozialdemokratischen Themen wegblockiert? Entsteht dann nicht ein neues offenes Feld links der SPD?
Die Ampel wird sicherlich kein Bündnis, in dem alle begeistert auf die Kompromisse schauen, in dem man »reine Lehre« wird umsetzen können. Die Zusammensetzung der künftigen Opposition ist da auch spannend zu sehen. Eine Opposition, bestehend aus Union, AfD und Linken hatten wir ja schließlich auch noch nie. Die Union muss da gar nicht so besorgt sein, wie es jetzt oft klingt. Sie kann sich als Opposition der Mitte positionieren. Sie darf allerdings auch nicht überziehen, denn sie wird einige der künftigen Regierungsparteien für den Weg zurück an die Macht brauchen.
Die Linke auf der anderen Seite steht vor ganz eigenen strategischen Fragen. Der Wählerwunsch in Richtung Ampel, der im Wahlkampf klar im Raum stand, hat ja die Möglichkeit geboten, sich selbst als regierungsbereite Linke zu präsentieren. Das hat der Partei aber nicht genützt, das Wahlergebnis zeugt eher vom Gegenteil. Andererseits: Die Linke im Westen ist entstanden in Opposition zu einer rot-grünen Regierung. Jetzt wird es für sie wieder einfacher, sich als die wahre linke Partei zu positionieren gegen eine Ampel. Allerdings ist das kein Selbstläufer, es hat ja auch gegenüber der GroKo nicht so recht geklappt. Solche strukturellen Voraussetzungen schaffen vielleicht Möglichkeiten, aber ohne klare Strategie und attraktives Personal nützen die halt letztlich auch nichts.
Die Rolle der Grünen in der Ampelkoalition ist auch kompliziert. Setzen sie genug durch, damit ihr idealistischer Flügel zufrieden ist? Und gibt es eine neue direkte Konkurrenz mit der FDP um die Jungwähler?
Die Jungwählerthese ist spannend und sie steht meines Erachtens noch auf dünnem Eis, weil Briefwahlergebnisse in den einschlägigen Ergebnissen gar nicht drin waren. Aber lassen wir das mal außen vor für den Moment: Es gibt offenkundig eine Konkurrenz um die Ansprache junger Menschen. Doch die sind zugleich besonders beweglich, auf ihre Stimmen kann man sich auf Dauer am wenigsten verlassen...
»Die Zeiten, in denen die Grünen behaupten konnten, sie seien die einzige Klimapartei, sind vorbei.«
Für die Grünen wird die Koalition in der Tat inhaltlich eine Herausforderung sein, weil sie in vielen Punkten nah an der SPD dran sind, weil ihnen mit dem Klimaschutz ähnlich wie einst bei der Atomenergie plötzlich ein Thema von allen anderen streitig gemacht, vielleicht sogar weggenommen wird. Die Zeiten, in denen man glaubwürdig behaupten konnte, man sei die einzige Klimapartei, sind vorbei. Jetzt geht es um die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung und das ist in vielerlei Hinsicht viel komplexer.
Alles spannend, viele Herausforderungen – und auch großes Potenzial für Enttäuschungen. Die Geschichte zeigt ja auch immer wieder das Entstehen und Erstarken von neuen Parteien genau in Reaktion darauf: Im Westen gingen Linke weg von der SPD, Rechtspopulisten und viele Ostdeutsche später weg von der Union. Davor sind auch die Grünen nicht gefeit, da schwelt jetzt durchaus schon etwas – gebündelt in dem Vorwurf, ihre Politik sei jetzt schon zu verwässert – und dann noch diese Koalition. Parteien wie die Klimaliste stehen bereit.
Das alte schwarz-gelbe Lager ist im Bund aufgesprengt. Wird das dauerhafte Auswirkungen haben, auch in den Ländern?
Jein. Es gibt genau diese beiden Aspekte: Wo es rechnerisch möglich wäre, würden Union und FDP weiter schnell zusammenfinden, ähnlich wie Rot-Grün. Aber es ist rechnerisch immer öfter eben nicht mehr möglich. In den Köpfen der Wählerinnen und Wähler ist das Lagerdenken noch da, es bietet Orientierung und drückt Richtungswünsche aus. Also muss man neue Bündnisse finden, die drei Ampel-Parteien werden sich arrangieren müssen. Wenn wir mal rund vier Jahre in die Zukunft schauen, werden alle drei Ampelparteien sagen: Diese Ampel-Zeit war nicht die schlimmste Zeit für Deutschland. Aber man darf bezweifeln, dass es einen allseits geteilten Wunsch nach Fortsetzung geben wird, ähnlich wie es bei der GroKo in diesem Jahr der Fall war. Wir werden wohl wieder nur diesen zähen Satz hören, dass jeder so stark werden will wie irgendwie möglich, über den Rest müsse man nach der Wahl reden... Das ist nicht schön, aber so sind die Zeiten.
Geht der Union der natürliche Partner verloren?
Absolut. Ein Stück weit hat sie es aber selbst forciert, indem sie schwarz-grüne Bündnisse auf den Weg gebracht hat. Das sind genau die Prozesse, die auch den Eindruck verstärken, dass eine neue Beliebigkeit sich ihren Weg sucht und diesen auch findet. In Wahlkampfzeiten, die Zuspitzung brauchen, macht das Politik wahrlich nicht einfacher.
Öffnet sich beim Liberalismus jetzt eigentlich grundsätzlich etwas, wird es in der FDP wieder sozialliberale Inhalte geben nach den neoliberalen Jahrzehnten?
Es gibt jedenfalls auch in der FDP Gruppierungen, die diese Entwicklung sicherlich mit Wohlwollen sehen, vielleicht sogar mit stiller Freude. Im Moment wird die Partei noch sehr stark von Christian Lindner auf einen wirtschaftsliberalen Kurs hin ausgerichtet. Aber über die Gemeinsamkeiten der Ampel auf der kulturellen Achse wird es zunehmend Punkte geben, die man für eine gemeinsame Erzählung braucht und mit denen auch andere Akzente gesetzt werden. So etwas wird ein Eigenleben entwickeln. Auch an der Stelle hilft ein Blick auf den Wahlkampf: Vielleicht hätte man die Tür für eine Ampel aus Sicht der FDP gerne zugemacht, aber aus machtstrategischen Fragen ging genau das eben nicht. Und jetzt betont man die Gemeinsamkeiten der Ampel auf der zweiten, kulturellen Politikachse. Insgesamt sehen wir weniger klare Fixierungen, weniger klare Bekenntnisse, sondern Offenheit und die Suche nach gemeinsamem Terrain.
Der Linksliberalismus auf der Kulturachse schien schon mehr zu den Grünen gewandert zu sein…
… zumal es immer auch den nationalliberalen Flügel in der FDP gab, nur hört man von dem jetzt gerade nichts. Was wir erleben in diesen Tagen, ist ja, dass Parteien keine uniformen, absolut geschlossenen Akteure sind, sondern amorphe Konstruktionen. Das birgt Risiken, aber eben auch Chancen. Reibungspunkte zwischen Gelb und Grün wird es auf vielen Ebenen geben: Wer ist moderner, wer ist progressiver, wer ist jünger?
Dann aber doch nochmal zur politischen Kultur: Was passiert da gerade? Etwas Großes oder normales Machtgeschäft?
Unter dem Gesichtspunkt der politischen Kultur muss man zunächst einmal einen Blick auf die AfD werfen, die unter für sie eigentlich schwierigen Umständen trotzdem zweistellig wurde. Ihre Präsenz führt in einer politisch-kulturellen Sicht dazu, dass ständig eine weitere Konfliktachse im politischen Raum steht: die AfD gegen alle anderen. Für den parteipolitischen Wettbewerb ist das durchaus schwierig, weil die anderen Parteien sich immer gleichzeitig untereinander voneinander abgrenzen müssen, aber auch gemeinsam von der AfD. Zudem sind Mehrheitsfindungen und Regierungsbildungen durch die starke Präsenz der AfD schwierig. Das bringt einen Bedeutungsverlust für Ideologien mit sich, führt zu noch mehr Pragmatismus. Mehrheitsbündnisse wie etwa in Thüringen und Sachsen sind keine großen Projekte mehr oder gar Wunschkoalitionen. Sie sind aus der schieren Not heraus begründet, irgendwie eine Mehrheit zu finden. Im Bund ist es nicht ganz so, gerade vor dieser Wahl 2021 haben wir ja über ganz, ganz viele Koalitionsoptionen gesprochen. Aber wir alle müssen lernen, damit umzugehen, dass die Zeit vor der Wahl sehr spannend und der Ausgang offen ist, dass das gleiche aber auch nach der Wahl gilt. Das ist kein ganz leichter Anpassungsprozess. Gewohnt waren wir ja eher, dass es nach den Wahlen eine Regierungsoption gibt, die dann auch gebildet wird und alles in allem recht geräuschlos harmoniert.
Nichts Großes, nirgends?
Wir werden komplexe Koalitionsverhandlungen erleben und auch einen komplexen Koalitionsvertrag. Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass solche komplexen Koalitionsverträge dann geradezu sklavisch abgearbeitet werden. Kleinschrittig, detailfixiert. Genau das werden wir sehen. Das sieht dann schnell sehr geschäftsmäßig aus. Aber man kann das auch positiv sehen: Die populistischen Narrative, die behaupten, es sei sowieso alles egal, wer regiert, stimmen halt einfach nicht. Und trotzdem muss man das sicherlich immer wieder betonen. Man darf ja nicht vergessen: Wir hatten eine sehr intensive, spannende Wahlauseinandersetzung, es ging darum, einen neuen Kanzler zu finden, und trotzdem hat jede vierte Person von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht. Darüber redet kein Mensch. Es gibt sehr grundlegende Fragen der Demokratie, darüber gibt es immer mal wieder eine kurze Aufregung, aber nachhaltige Debatten werden dann doch selten geführt.
Was sollte dann die Demokratiebotschaft sein?
Kompromisse dürfen nicht nur Formelkompromisse sein. Es ist auch nicht nur interessant, wer dabei gewonnen hat und wer verloren. Wir müssen lernen, dass Demokratie zähe und harte Arbeit ist. Nicht immer ein Vergnügen, aber das Beste, was wir über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelt haben. Es ist eine riesige kulturelle Errungenschaft, dass diese sich ausdifferenzierenden Gesellschaften ihre politischen Gegensätze durch solche Art von Bündnissen in geregelten Bahnen austragen – und am Ende Ergebnisse stehen. Der Kompromiss ist nicht das Problem, sondern die Lösung.
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