Menü

© Foto: picture alliance / Design Pics | Richard Maschmeyer

Ein historisches Lehrstück zum Thema »Respekt« Wechselvolle Identitätskämpfe der indigenen Völker Nordamerikas

Von Anfang an war den englischen Kolonisten in Nordamerika bewusst, dass die dort lebenden Indigenen denselben Boden für sich reklamierten, den nun sie besetzen wollten. Es galt also ihre Landnahme irgendwie zu rechtfertigen, da sie sich ja durchaus dem Christentum und dem Völkerrecht verpflichtet fühlten. Sie fanden für ihre oft gewaltsame Aneignung einander ergänzende philosophische, religiöse und rechtliche Argumente. Aber erst im Laufe der Jahrhunderte hat sich die euro-amerikanische Politik gegenüber den indigenen Völkern Nordamerikas (umstrittene Begriffe wie »Indianer«, »native Americans« etc. werden in diesem Beitrag bewusst nicht benutzt) von anfänglich zum Teil unverhohlen ethnischen Säuberungen bis hin zum Völkermord in Richtung einer prinzipiellen Anerkennung ihres Selbstbestimmungsrechts und eines semi-souveränen Status entwickelt. Dadurch ist auch das Bild der Indigenen – sowohl in der öffentlichen Meinung als auch in ihrer Selbstwahrnehmung – allmählich deutlich positiver geworden. Zu Beginn wurden sie von vielen weißen Siedlern als eine zum Aussterben verurteilte »verschwindende Rasse« angesehen, die zum Schutz ihrer eigenen Lebensweise nicht mehr in der Lage sei. Die Big Horn Association in Wyoming formulierte den damaligen Konsens wie folgt: »Das Schicksal der Ureinwohner ist in unverkennbaren Zeichen geschrieben. Derselbe unergründliche Schiedsrichter, der den Untergang Roms beschloss, hat das Verhängnis des Aussterbens der roten Menschen Amerikas verkündet«. Erst in jüngerer Zeit ist ihr Selbstbestimmungsrecht in den USA weithin anerkannt. Heute werden sie als aktive und politisch engagierte Bürger wahrgenommen, die ihre gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftlichen Verhältnisse mitgestalten können. Als die Amerikaner ihre kollektive Vergangenheit aufzuarbeiten begannen, ging dies einher mit einer Würdigung der klugen Anpassungsstrategien der Indigenen an eine oft unwirtliche Lebenswelt. Ihre Reservate sind jedoch bis heute bitterarm und Politiker (meistens Republikaner) denken sich ständig neue Tricks und Schikanen aus, um das Wahlrecht der Indigenen ein- und diese damit auszugrenzen. Zudem sind sie vielerorts zur Projektionsfläche von Missgunst und Groll derjenigen weißen Einwohner geworden, die sich selbst als Opfer von Diskriminierung sehen und glauben, dass die eingeborenen Amerikaner sich unverdienter »Privilegien« erfreuen.

Anfangs waren den Siedlern die Eigentümlichkeiten der »neuen Welt« fremd; zahlenmäßig unterlegen sahen sie sich von mächtigen Stämmen umgeben. Geradezu zwangsläufig betrachteten sie die Ureinwohner als fremde Völker, mit denen man Verträge aushandeln musste. In Virginia z. B. verhandelten die Siedler mit der Powhatan Konföderation, einer Großmacht von 200 Gemeinschaften, um Sicherheit und Lebensmittel zu erlangen. Gleichzeitig beharrten die Engländer aber auch auf dem mittelalterlichen Glauben, dass ihnen als Christen das legitime Hoheitsrecht zukäme, sich den Boden und das Eigentum der »Heiden« systematisch anzueignen. Eine Usurpation, die mit dem Argument gestützt wurde, dass sie den amerikanischen Kontinent schließlich »entdeckt« hätten. Später wurde die Ideologie für das vermeintliche Recht der Europäer auf das Eigentum der Ureinwohner ausgeklügelter und verband drei verschiedene, aber komplementäre Stränge miteinander, die John Locke in seiner 1689 verfassten einflussreichen Zweiten Abhandlung zur Regierung entwickelt hatte: die Eigentumstheorie, Normen eines »zivilisierten« Lebens und religiöse Überzeugungen.

Wirtschaftliches Handeln als Ausdruck von Zivilisation

John Locke argumentiert so, dass es auf der Erde ursprünglich einen »Naturzustand« gegeben haben müsse, in dem alle Ressourcen jedermann zur freien Verfügung standen, der bereit war, seine Arbeit mit der Natur zu »vermischen«. In diesem Sinne, betonte Locke, konnten die Territorien der Ureinwohner nicht als »Eigentum« im englischen Sinne gelten, da sich Amerika immer noch in diesem »Naturzustand« befinde; weshalb sich jede(r) Boden und Ressourcen aneignen dürfe. »Am Anfang« schrieb Locke, »war die ganze Welt Amerika«. Allerdings ging Locke (irrtümlich) davon aus, dass die Indigenen Amerikas weder landwirtschaftliche Produktion, Verständnis der »alten Welt« noch Geld als allgemeines Tausch-/Zahlungsmittel kannten. Folglich könnten sie aus einer gegebenen Parzelle weniger Wert schöpfen als ein Engländer – weshalb sie das Land nicht als Eigentum beanspruchen dürften: Der Ertrag von 1.000 Acres »in den wilden, unbewirtschafteten Wüsten Amerikas« für die »bedürftigen und elenden Einwohner« wäre geringer als 10 Acres Kulturland in England. Mit anderen Worten: nur produktive Handelslandwirtschaft galt Locke als Merkmal von Zivilisation.

Diese Auffassung bestimmte die Politik der US-Regierung gegenüber den Indigenen bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Und das, obwohl wir heute wissen, dass ihre Produktionsmethoden meist besser an ihre Umweltbedingungen angepasst waren als diejenigen der Weißen, für die z. B. nur Weizen und Roggen als »zivilisierte« Getreidesorten galten. Außerdem tauschten die Indigenen sehr wohl gegen Geld und unterhielten weitreichende Handelsbeziehungen untereinander und später mit den Europäern. Gleichwohl pflegten diese das Zerrbild von den habgierigen Monopolisten, die den besten Boden für sich selbst reklamierten, auch wenn sie so wenig Nutzen daraus zogen. In diesem Narrativ sehen sich die Weißen als Opfer der Verschwendung der Eingeborenen; weshalb sie völlig im Recht seien, wenn sie das Land vom Monopol der Ureinwohner »befreien«. Gelegentlich gab es Ausnahmen von diesem Bild der unzivilisierten »Wilden«. Die amerikanischen Siedler im Nordosten z. B. unterhielten freundliche Beziehungen mit den »fünf Völkern« (später sechs) der Iroquois, einen seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Völkerverbund. Gründervater Benjamin Franklin nahm diesen sogar als Vorbild für die amerikanische Föderation.

Dem negativen Bild des »rohen Wilden« und ineffizienten Hüters des Bodens entsprach die Verachtung ihrer indigenen Religionen, die angeblich einen weiteren Beweis ihrer Rückständigkeit lieferten: »Gott gab die Welt den Menschen gemeinsam; da er sie ihnen zur Nutzung und zu ihrer größtmöglichen Wohlfahrt gab, so kann man nicht annehmen, daß es in seiner Absicht lag, die Erde solle immer Gemeingut und unbebaut bleiben. Er überantwortete die Welt zur Nutzung dem Regsamen und Findigen, (…) nicht der Willkür und Begehrlichkeit des Streitsamen« (Locke). Auf Amerika angewendet: Gott ordnete die englischen Siedler der ersten Gruppe zu, die »kriegssüchtigen« Ureinwohner hingegen der zweiten. Die Absichten Gottes trafen sich also kongenial mit den philosophischen Rechtfertigungen für die Aneignung des Kontinents durch Europäer. Mit dem religiösen Aspekt kam noch ein Faktor hinzu und zwar durch jene Amerikaner, die sich verpflichtet fühlten, die Indigenen zum Christentum zu bekehren. Dies geschah im Zuge ihrer »Umsiedlung« im 19. Jahrhundert in Reservate durch Missionare, die über die Missionarsarbeit im engeren Sinne hinaus auch für eine Farmbewirtschaftung wie die der Weißen werben sollten. Es ging also um nicht weniger als darum, die traditionellen Überzeugungen der Ureinwohner auszurotten – zu diesem Zweck wurden ihnen nicht selten ihre Lebensmittelzuteilungen vorenthalten. Sogar karitative Praktiken wie der Potlach im pazifischen Nordwesten waren verpönt, bei dem wohlhabende Ureinwohner Lebensmittel und andere alltägliche Dinge an Notleidende verschenkten. In den Augen der Missionare waren die Allmende, das Stammessystem und nicht zuletzt der Fortbestand ursprünglicher religiöser Traditionen die größten Hindernisse auf dem Weg, die Indigenen zu zivilisierten Menschen zu »erziehen«(!). Mit diesem Ziel war man bemüht, die Kinder von ihren Eltern zu isolieren und in die Schule von Weißen zu geben, tradierte religiöse und sogar karitative Rituale wurden unterdrückt.

Im Laufe der Zeit wandelte sich das Bild von den amerikanischen Urvölkern. Zum Verständnis ist ein Rückblick auf gewisse Wendepunkte der US-amerikanischen Geschichte hilfreich. Der erste schwere Schlag gegen die Eingeborenen im Osten fand 1830 statt, als der Kongress das Gesetz zu deren Umsiedlung (Indian Removal Act) verabschiedete. Dieses verordnete die Umsiedlung der sogenannten »Fünf Zivilisierten Stämme« (Five Civilized Tribes) aus ihren Heimatgebieten im Südosten ins heutige Oklahoma. Diese Vertreibung, der »Pfad der Tränen« (trail of tears), hat vielen Indigenen, vor allem fast 8.000 Cherokees, das Leben gekostet. Ihr Exil bewies, dass auch die Ureinwohner dem lockeschen Ideal des »fleißigen und rationalen« Verhaltens entsprachen (die Cherokees betrieben die Landwirtschaft bereits im europäischen Stil), aber ihres Landes beraubt wurden, wenn Weiße es begehrten. In der Ära des Umsiedlungsgesetzes musste sich der Oberste Gerichtshof der USA mit Rechtsstreitigkeiten zwischen den Cherokees und dem Staat Georgia befassen und hätte also durchaus die Möglichkeit gehabt, die Souveränität des Stammes über sein eigenes Land zu bestätigen. Zwar räumte das Gericht ein, dass die Indigenen »rechtmäßige Besitzer ihres Bodens« seien (Entscheidung Johnson v. M’Intosh), relativierte dann aber das eigene Urteil, indem es postulierte, die Ureinwohner seien eben nicht unabhängig und souverän wie andere fremde Staaten, sondern sie seien »innerstaatlich abhängige Völker« unter der Herrschaft und Vormundschaft der US-amerikanischen Regierung.

Bis zu den 1880er Jahre hatten die Regierung der Vereinigten Staaten und die Einzelstaaten erfolgreich die Unabhängigkeit aller eingeborenen Völker im ganzen Land getilgt; sie wurden gezwungen in Reservaten zu leben, die meistens nur einen Bruchteil ihres ursprünglichen Territoriums umfassten, und die sie nur mit Genehmigung verlassen durften. Außerdem verfügte der Kongress, die Ureinwohner besäßen immer noch zu viel Boden und dieser sei im Übrigen in kommunalem Besitz. Daher wurde 1887 der sogenannte »Dawes Act« erlassen, mit dem vorgeblichen Zweck, den Geist des Individualismus unter den eingeborenen Völkern zu fördern, indem jedem Einzelnen 160 Acres freier Grundbesitz zugeteilt werden sollten. Das unverteilte »überschüssige« Land war an Weiße zu verkaufen. Der gesamte Landbesitz aller Reservate zusammen schrumpfte im Ergebnis von 56 Millionen auf nur 19,5 Millionen Hektar im Jahre 1934.

Wechselhafte Politik

Das Jahr 1934 markiert einen bedeutenden Wendepunkt sowohl im öffentlichen Bild der eingeborenen Amerikaner als auch in ihren Lebensumständen. Der 1932 neugewählte Präsident Franklin D. Roosevelt ernannte einen Anthropologen, John Collier, zum Kommissar für das Bureau of Indian Affairs (BIA), eine Bundesbehörde mit Verantwortung für die Reservate und deren Wirtschaft. Collier hatte in den 20er Jahren einige Zeit im Taos Pueblo in New Mexico verbracht, wo er die traditionelle Kultur der Indigenen bewundern gelernt hatte und sogar ihre Überlegenheit gegenüber dem individualistischen Leistungsprinzip der westlichen Gesellschaften erkannte. Im Jahr 1934 unterbreitete er einen Plan – im Volksmund als »Indian New Deal« bekannt – der u. a. die durch den »Dawes Act« verursachte Zersplitterung der Reservate aufhalten sollte. Mit dem »Indian New Deal« wurde auf einen Kurs der Selbstbestimmung der »ersten Völker« gesetzt; damit wollte man zumindest in Teilen das, was durch all die Niederlagen, das Eingesperrtsein in Reservaten und die Feindseligkeit der Missionare verlorengegangen war, wiederherstellen. So durften die eingeborenen Amerikaner ihre religiösen Traditionen wieder pflegen, zudem wurden sie ab 1924 US-Staatsbürger, weshalb sie – wenigstens im Prinzip – Einfluss auf die Politik der Bundesregierung bzw. der Einzelstaaten in eigener Sache ausüben konnten.

Die konservativen Republikaner hatten jedoch mit der sogenannten »Termination«-Politik eine letzte Möglichkeit ersonnen, die Ansprüche der Ureinwohner auf Selbstbestimmung zu begrenzen. Im Jahre 1953 beschloss der Kongress, die Stämme nicht mehr als kollektive Einheiten zu behandeln. Im Rahmen der Termination wurde das Treuhandverhältnis zwischen der US-Regierung und rund 100 Stämmen aufgelöst und jeglicher Anspruch auf Souveränität konsequent abgelehnt. Sie besaßen in der Folge weder Reservat noch eine formale kollektive Identität. Mit bitteren wirtschaftlichen Folgen: Ein Reservat (der politischen Gliederung nach eine Art Landkreis) des Menominee Stammes in Wisconsin wurde von einem der reichsten Kreise im ganzen Staat (1953) zum ärmsten in Wisconsin. Kurzum: Der wahre Zweck der Termination war die Auslöschung der Identität der einzelnen Indigenen als Mitglieder einer größeren Erinnerungsgemeinschaft. Im Jahr 1970 erkannte der damalige republikanische Präsident Richard Nixon die Ungerechtigkeit der Termination-Politik. Nixon schaffte sie nicht nur ab, sondern versuchte, die aufgelösten Reservate und Treuhandverhältnisse wiederzubeleben, auch im Fall der Menominee. Diese Rückabwicklung setzt sich bis heute fort; ausgelöschte Stämme bemühen sich um den Nachweis, dass sie auch nach 70 Jahren immer noch über sozialen Zusammenhalt und eine kollektive Identität verfügen.

Während der 70er und 80er Jahre im Zuge mehrerer gewalttätiger Konfrontationen zwischen amerikanischen Ureinwohnern und bewaffneten Kräften der Bundesregierung veränderte sich das Image der Indigenen dramatisch. Ihre wachsende Militanz und ihr wachsendes Selbstvertrauen führten zu politischen Siegen in Gestalt des »Selbstbestimmungsgesetzes« (Indian Self-Determination Act) von 1975, das ihnen größere Kontrolle über die eigenen Finanzen und Energiequellen verlieh; des »Religionsfreiheitsgesetzes« (Indian Religious Freedom Act ) von 1978 und des ökonomisch wichtigen Gesetzes zur Regulierung der Glücksspiele in den Reservaten (Indian Gaming Regulatory Act) von 1988, das ihr Recht zur Betreibung von Kasinos bestätigte. Obwohl die politischen und legalen Kämpfe der Ureinwohner nicht immer zum Erfolg führten, erinnerten sie die US-amerikanische Öffentlichkeit aber daran, dass sie mehr und etwas anderes sind als kuriose, passive Überbleibsel einer vergangenen Zeit.

Ende offen

Wie andere US-Bürger handelten die Indigenen zur Durchsetzung ihrer Interessen nun auch politisch. Ihr neugewonnener Einfluss ist heute an vielen Stellen erkennbar. Einige Völker im Südwesten überzeugten z. B. die Obama-Regierung, ein neues »National Monument« zu schaffen (Bears Ears im Süden Utahs), durch das ein Gebiet mit einem beeindruckenden Reichtum an archäologischen Fundstätten auf Territorien geschützt wurde, die von ihren Ahnen bewohnt oder genutzt worden waren. Donald Trump verkleinerte das Monument zwar drastisch, Joe Biden aber wird dessen ursprüngliche Grenzen zweifellos wiederherstellen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die Indigenen Bears Ears mitverwalten, was ihnen die Chance gibt, eigene Regeln zum Schutz der heiligen Stätten ihrer Ahnen zu erlassen. In Kalifornien haben die Yurok- und Karuk-Völker seit Jahren Staat und Bund gedrängt, vier Dämme am Klamath Fluss zu entfernen, da diese die Lachsmigration flussaufwärts zu den Laichgründen blockieren und dadurch den Stämmen ihre vertraglich garantierten Fangquoten vorenthalten. Letztes Jahr haben sich die US-amerikanische Regierung und Kalifornien verpflichtet, entgegen dem Willen der benachbarten Weißen, die Dämme zu entfernen. Außerdem haben die Indigenen die Bundesregierung davon überzeugt, Lehrer eingeborener Herkunft für ihre Schulen einzustellen und sogenannte »Tribal Colleges« auf den großen Reservaten zur Vermittlung der Geschichte, Sprache und Kultur der jeweiligen Völker einzurichten. Auch an renommierten Universitäten wie Cornell (die einst von der Enteignung von Ländereien der Ureinwohner profitierten) werden jetzt Native American Studies-Fächer angeboten. Und Präsident Joe Biden hat vor kurzem eine Kongressabgeordnete, Deb Haaland, aus einem Pueblo (einem tradierten Dorf) in New Mexico zu seiner Innenministerin gekürt.

Aber wie viel Handlungsautonomie und politischen Einfluss können die Nachfahren der Ureinwohner in den USA tatsächlich geltend machen? Schließlich machen sie doch weniger als 2 % der US-amerikanischen Bevölkerung aus. Allerdings können sie in heißumkämpften Bundesstaaten wie Arizona das »Zünglein an der Waage« sein. Dort machen sie 6 % der Bevölkerung aus. So hat die starke Unterstützung der Demokraten durch das Tohono O’odham Volk und die Navajos Joe Biden zum knappen Sieg mit 12.000 Stimmen verholfen. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass ihre »geringe« Zahl (ungefähr 5,2 Millionen inklusive derjenigen mit einem nicht-indigenen Elternteil) der Gesamtbevölkerung europäischer Länder wie Norwegen oder Finnland gleicht.

Vor der Ankunft der Europäer war den Ureinwohnern nicht bewusst, wie viel sie gemeinsam hatten – sie waren im Gegenteil oft erbitterte Feinde. Erst allmählich erkannten sie ihr gemeinsames Interesse am Widerstand gegen die Eroberung durch die Europäer, aber da war es schon zu spät. Ironischerweise bildet sich heute eine gemeinsame Identität heraus: Die Indigenen sehen sich zunehmend im Spiegel des Konfliktes mit den Weißen. Heute erleben wir die Geburtsstunde einer selbstbewussten politischen Gruppierung, deren gemeinsame Identität als eingeborene Amerikaner ihre uralten Feindschaften zu überwinden vermag.

Nun gilt es, ihren politischen Zusammenhalt zu stärken, denn die Jahrhunderte der Benachteiligung haben ihnen eine lange Liste unbewältigter Probleme beschert: einen Mangel an fließendem Wasser und Strom, Armut (26,2 % gelten offiziell als verarmt), Arbeitslosigkeit und mancherorts verseuchte Gebiete durch giftige Abfälle aus der ehemaligen Energiegewinnung. Trotz dieser Missstände glaubt die republikanische Wählerbasis, die sich vom »Mainstream« in Amerika missachtet und benachteiligt fühlt, dass ethnische Minderheiten – z. B. die Indigenen – mit unverdienten Sonderrechten begünstigt werden. Sie sehen sich als die wahren Opfer, deren Interessen von den mit den Minderheiten verbündeten Eliten ignoriert werden. Heute wie damals beschweren sich die Weißen über die »Privilegien« der Nachfahren der Ureinwohner – etwa, dass sie außerhalb der Saison Wild jagen oder mehr Lachs fangen dürfen als die Euro-Amerikaner – auch wenn diese sogenannten Privilegien einfach Aspekte der Halbsouveränität der eingeborenen Völker sind oder auf Bestimmungen ihrer immer noch geltenden Verträge mit den USA zurückgehen. Das erklärt zum Teil, warum die amerikanischen Ureinwohner mittlerweile zu den treuesten Wählern der Demokratischen Partei gehören: Sie wissen, dass die Republikaner alle erzielten Fortschritte im Namen der Abschaffung ihrer »Sonderprivilegien« in Nu rückgängig machen könnten.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Nach oben