Wir alle haben unsere festen Meinungen. Neu denken? Einstellungen zu ändern, kann eine große Hürde sein. Wie gelingt eine differenzierte Wahrnehmung des Nahostkonflikts gegen den allgemeinen Trend der radikalen Polarisierung? Wie können identitätsstiftende Haltungen der Friedensbewegungen aktualisiert werden? Wie verändert kultureller Austausch unseren Geschmack? Wie lassen sich verinnerlichte Glaubenssätze überwinden? Vier Antworten aus sehr verschiedenen Feldern, wie es zum Umdenken kommen kann.
Mimi Sewalski, Autorin und ehemalige Geschäftsführerin von Avocadostore, zog 2005 mit einer klaren politischen Meinung nach Tel Aviv: Israel sei der Unterdrücker, das palästinensische Volk das Opfer. Sie kritisierte die Siedlungspolitik und den Umgang mit den Palästinensern in Gaza. Eine aus der Ferne vorgeprägte Schwarz-Weiß-Sortierung. Durch viele Gespräche mit Israelis und Arabern kamen Grautöne hinzu. Heute meint sie: Es gibt nebeneinander existierende Wahrheiten. Auch wenn Kritik nötig bleibt, gilt es das empathisch wahrzunehmen und auszuhalten. Kriege bedeuten Leid und Opfer auf beiden Seiten.
Clemens Thomas komponierte die Oper Dollhouse für die Hamburgische Staatsoper. Ein Projekt, für das er tief in die koreanische Popkultur eingetaucht ist. Hallyu heißt die mitreißende K-Pop-Welle. Zu Beginn seiner Arbeit fremdelte er noch mit koreanischen Spezialitäten. Das original gewürzte Kimchi, das Kommilitonen zum sommerlichen Grillfest mitbrachten, war viel zu scharf. Das Kimchi aus dem deutschen Supermarkt machte ihn wiederum schließlich zum Fan. Er überlegt, ob er es als Symbol für die homogenisierte, globalisierte koreanische Kultur in Form des K-Pop sehen soll: weniger scharf, zugänglicher, aber besonders mitreißend.
Norbert Walter-Borjans, ehemaliger Parteivorsitzender der SPD, lehnte als Mitglied der Friedensbewegung Helmut Schmidts Haltung zum NATO-Doppelbeschluss ab. Entweder man stationiert Atomsprengköpfe in Westeuropa und rüstet einseitig auf, oder man setzt als Massenbewegung ein generationenübergreifendes Zeichen für ein friedliches Deutschland und gegen jeden Krieg. 45 Jahre später ist aus dem Entweder-oder ein Sowohl-als-auch geworden. Ein Verhandlungsangebot über langfristige Abrüstung, verbunden mit der Drohung der Aufrüstung. Heute sorgt ihn das Weder-noch, es sei für den Frieden am bedrohlichsten.
André Lau leitete die Wasser GmbH von Viva con Agua und gründete das Start-up social product. »Unternehmerischer Erfolg braucht einen Plan« wurde ihm im Studium und Seminaren regelrecht eingehämmert. Nach vielen Erfahrungen kann er das nicht mehr vertreten, denn oft waren es glückliche Umstände und zufällige Begegnungen, die zu beruflichen Erfolgen führten. Den Faktoren Glück und Zufall mehr Raum zu geben, hat sich ausgezahlt. Heute setzt er auf seine Leidenschaft und geht den Dingen nach, die ihn begeistern. Der nächsten Generation rät er, authentisch, empathisch und mutig zu sein.
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