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Wer soll, wer kann die SPD jetzt führen?

Die großen Herausforderungen von heute erflehen fast schon sozialdemokratische Antworten: Ungleichheit und Unsicherheit, die Spaltung der Gesellschaft durch neuerliche Entgrenzung des Kapitalismus und die unbeherrschte Globalisierung mit deutlichen Anzeichen einer neuen Klassengesellschaft aus Gewinnern und Verlierern; die hemmungslose digitale Umgestaltung der Welt durch libertär gesinnte Großprofiteure im Silicon Valley; das Zurückbleiben des Sozialstaates hinter dem gesellschaftlichen Wandel; die täglichen Schreckensbilder einer inhumanen Migrationspolitik, die Gefährdung der europäischen Einigung durch selbstzerstörerischen Nationalismus und illiberalen Rechtspopulismus – existenziell vor allem die Gefährdung der natürlichen Grundlagen der Zivilisation. Und in Deutschland die Gefährdung der Zukunft durch Vernachlässigung der öffentlichen Güter: in der Verkehrsinfrastruktur, der Substanz der Schulen, bei Sicherheit und Rechtsprechung.

Wenn das keine Herausforderungen sind, die der Sozialdemokratie wie auf den Leib geschrieben sind – was dann? Dafür gibt es leider noch keine eigenen Antworten? Von wegen! Eine der erstaunlichen Methoden der Selbstschwächung der SPD ist es, dass sie immerzu zu allen oben genannten Fragen an großen und kleinen Programmen, Analysen und Politikprojekten intensiv arbeitet, in ihren vielen guten Kommissionen, in der Bundestagsfraktion – die Friedrich-Ebert-Stiftung tut dies im gleichen Geist fortwährend – aber aus all den guten Vorlagen für die öffentliche Kommunikation und die eigene Selbstversicherung fast nichts macht.

Dabei ist das Pfund, mit dem die SPD wie keine Konkurrentin wuchern könnte, gerade die Erkenntnis des inneren Zusammenhangs der neuen Herausforderungen und ihre Fähigkeit zur politischen Integration von Teilsichten zu einem Gesamtbild: Markt und soziale Wirtschaftsdemokratie – heute z. B. beim Thema Wohnen: Eigentum sozial domestizieren (wo es das Gemeinwohl gefährdet). Dazu aktuell verstärkt: Ökologie und soziale Gerechtigkeit sowie humane und gestaltete Immigration. Für all das gibt es attraktive Konzepte.

So hat die Grundwertekommission unter der Leitung von Gesine Schwan den Ansatz einer integralen Politik für die Zukunft in diesem Sinn erarbeitet, die zugehörigen Grundwerte, ihre großen Linien und sehr viel praktikable Einzelheiten, eine komplette Erzählung. Wer jetzt die SPD führen will, sollte zunächst zeigen, dass sie/er eine solche integrale Politik zu verkörpern versteht. Denn sie ist der historische Kern der sozialdemokratischen Identität – und das Gebot der Stunde.

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