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Wie die SPD frauenpolitische Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann Wir wollen Brot und Rosen

Eine Analyse zum Zustand der SPD nach der Bundestagswahl vom 24. September ist schmerzhaft – aber gerade für überzeugte Sozialdemokratinnen nicht besonders schwierig. Vielleicht würde es schon reichen, sich einige der Beiträge zur Wahlanalyse von 2013 anzuschauen. Das aus heutiger Sicht nahezu glorreich scheinende Wahlergebnis von fast 26 % wurde gerade aus feministischer Perspektive mit den Worten kommentiert: richtiges Programm, falsches Personal. Während die SPD inhaltlich einiges für Frauen und den weiteren Kampf für Gleichstellung zu bieten hatte, wurde diese von einem Trio männlicher Kraftmeierei vertreten (Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel), was die inhaltlichen Errungenschaften wenig glaubwürdig erscheinen ließ. In dem Beitrag »Alt, Männlich, Weiß – Die SPD muss bunter werden«, den ich damals zusammen mit Nancy Böhning und Johanna Uekermann für die Zeitschrift Argument verfasst hatte, hieß es: »Wir haben Stimmung und Lebensgefühl der Frauen nicht getroffen. Ein Alarmsignal für uns alle.« Dieses Alarmsignal wurde nicht gehört – bis heute.

Mehr noch: Der Trend hat sich weiter verschärft: Nur gut 20 % der Wahlberechtigten haben am 24. September 2017 ihr Kreuz bei der SPD gemacht. Dabei erreichten die Wahlergebnisse für die SPD gerade bei jungen Frauen erneut einen historischen Tiefpunkt. Wie auch schon in der jüngsten Vergangenheit schnitt die CDU unter ihrer Vorsitzenden Angela Merkel bei Frauen deutlich besser ab. Gerade bei Frauen zwischen 35 und 44 Jahren ist der Abstand zwischen CDU und SPD besonders groß. In dieser Zeitspanne, von einigen als »Rushhour des Lebens« bezeichnet, in der gerade Frauen vor der Herausforderung stehen, Kindererziehung und Elternpflege unter einen Hut zu bekommen und nebenher die Karriereleiter hinaufzuklettern, machten 6 % mehr ihr Kreuz bei der CDU als bei der SPD. Und das, obwohl die Christdemokraten ihnen inhaltlich gerade für diese Problematik nicht viel zu bieten hatten.

Martin Schulz hingegen griff als Kanzlerkandidat die Probleme von Frauen in diesem Lebensabschnitt in vielen seiner Reden auf und schien dabei fundiert und lebensweltlich, die Problemlagen von Frauen etwa in Bezug auf eine Vereinbarkeit verstanden zu haben. Auch inhaltlich setzte die SPD auf eine Familienarbeitszeit, die einen finanziellen Ausgleich bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduzierung beider Elternteile anbietet, um die große Belastung von Familien mit zwei Vollzeitarbeitsplätzen zu reduzieren. Ein Rückkehrrecht aus der Teilzeit zurück zur Vollzeit, ein Gesetz für mehr Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern sowie mehr Kitaplätze bei besserer Betreuung und größere Unterstützung für Frauen in Führungspositionen – Ansätze, die gerade für Frauen im mittleren Lebensabschnitt von Bedeutung sind. All dies hat jedoch nicht ausgereicht.

Die SPD, die Partei für Frauenpolitik, deren ehemaliger Vorsitzender August Bebel mit der Veröffentlichung Die Frau und der Sozialismus Feminismus auf eine neue intellektuelle Ebene gehoben hat, deren berühmtes Mitglied Clara Zetkin 1911 den ersten internationalen Frauentag ins Leben gerufen hat, die für Frauenwahlrecht und Frauenquote gestritten hat, konnte Frauen nicht (mehr) überzeugen. Andere Parteien wirkten auf Frauen moderner, gerechter, weiblicher. Entscheidend ist eben nicht nur, was drinsteckt, sondern auch, was draufsteht – beziehungsweise wer. Und das waren im Wahlkampf 2017 und sind selbst im Erneuerungsprozess der SPD bisher (mal wieder) vor allem Männer.

Der historischen Niederlage der SPD am 24. September war eine ganze Folge von Ereignissen vorausgegangen, die in ihrer Summe einen guten Überblick zum Umgang der SPD mit Frauen gibt. Im Mai 2017 gab Schleswig-Holsteins damaliger Ministerpräsident Torsten Albig ein Interview, in dem er sich beklagte, dass er sich mit seiner Ehefrau nur noch in wenigen Momenten hätte »auf Augenhöhe« austauschen können. Ein Aufschrei ging durch die Republik, die Landtagswahl ging verloren.

Ende Mai folgte an anderer Stelle eine Personalrochade, die Feministinnen ebenfalls erstaunt zurückließ: Manuela Schwesig folgte als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern auf den gesundheitlich angeschlagenen Erwin Sellering. Generalsekretärin Katarina Barley wechselt an die Spitze des Familienministeriums. Ihr folgte nicht etwa eine andere Frau, was stets explizites Einverständnis über die Geschlechteraufteilung bei einem männlichen Parteivorsitzenden und einem männlichen Spitzenkandidat war – sondern Hubertus Heil, der nun seine Erfahrung mit der Wahlniederlage von 2009 als Generalsekretär einbringen durfte. Innerhalb weniger Stunden wurde diese Personalrochade vollzogen, andere, kompetente Frauen hätten leider nicht zur Verfügung gestanden, hieß es. Egal wie sehr Martin Schulz im Wahlkampf seine Sympathie für die schwer arbeitende Pflegekraft oder die überlastete Familienmutter betonte – die Politik in der SPD machten auch im Wahlkampf 2017 Männer.

Am Wahlabend folgte das Rumgepolter von Martin Schulz in der Elefantenrunde vor laufender Kamera. Schon 2005 war Gerhard Schröders »Abkanzeln« der Wahlsiegerin Angela Merkel besonders in der Wählerinnenschaft nicht gut angekommen. 2017 wirkt diese Art des Auftritts völlig aus der Zeit gefallen. Dieser Stil verfängt vielleicht noch bei mittelalten bis alten weißen Männern. Diese Gruppe stellt jedoch in Deutschland schon lange nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung dar – und auch nicht mehr die Meinungsmehrheit. Frauen fühlten sich von diesem Stil weder angesprochen noch repräsentiert.

Im Kampf um die fünf Spitzenposten, die eine Oppositionspartei besetzen kann (Parteivorsitz, Fraktionsvorsitz, Bundestagsvizepräsident, Parlamentarischer Geschäftsführer, Generalsekretär) wurden vier Männer und eine Frau vorgeschlagen oder schlugen sich selbst vor (Martin Schulz, Andrea Nahles, Thomas Oppermann, Carsten Schneider, Lars Klingbeil). Der informelle Konsens, dass bei einem männlichen Parteivorsitzenden das Generalsekretariat weiblich besetzt zu sein hat, wurde aufgekündigt. Andrea Nahles ist sicherlich eine gute Fraktionsvorsitzende, wird es jedoch alleine an der Spitze einer Männerpartei nicht für die Frauen richten können.

All dies wirft kein gutes Licht auf die gleichstellungspolitische Vorreiterin SPD. Selbst aus dem Spitzenkreis der Partei, der sich normalerweise mit Kritik eher zurückhält, kamen jüngst Beanstandungen an der Frauenförderung innerhalb der SPD.

Damit wir gleichstellungspolitische Glaubwürdigkeit zurückgewinnen können, dürfen nicht mehr Männer über Frauen sprechen, sondern müssen Frauen über Politik sprechen können. Die feministische Antwort auf den aktuellen Zustand der Partei kann nur bedeuten: Frauen in Spitzenämter – und zwar nicht nur als theoretische Möglichkeit, falls niemand anderes zur Verfügung steht oder niemand anderes Lust hat, sondern ganz konkret. Sicherlich ist ein Verhaltenskodex, wie ihn beispielsweise die Initiative SPD++ fordert, eine gute Sache. In viel zu vielen Gremien auch innerhalb der SPD ist offener oder unterschwelliger Sexismus an der Tagesordnung. Absichtserklärungen gibt es zur Genüge – aber: Wir wollen Brot und Rosen! Frauen gehören in die erste Reihe – auch wenn sie dort einem Mann den Platz wegnehmen.

Gerade dies scheint für viele Genossen aber weiterhin sehr schwer verständlich zu sein. Zwar wird in Sonntagsreden nach gutem weiblichen Personal gerufen – wenn dieses jedoch tatsächlich aufsteht und einen Platz außerhalb des männlichen Schattens einfordert, ist die Verwunderung meist immer noch groß. Es zeigt sich nach wie vor das, was allgemein als verbale Aufgeschlossenheit bei weitestgehender Verhaltensstarre bezeichnet wird.

Kann es denn so einfach sein: Man wählt ein paar Frauen in Spitzenämter und schon ist die Glaubwürdigkeit als feministische Partei zurückgewonnen? Sicherlich nicht, aber umgekehrt funktioniert es erst recht nicht – selbst die besten gleichstellungspolitischen Programme werden nicht ernst genommen werden (können), wenn wir es als Partei nicht schaffen, unsere Forderungen nach echter Gleichstellung selbst umzusetzen!

Dieser Kampf in und um die eigene Partei wird dabei nicht einfach sein – aber notwendig, um die SPD wieder zu dem zu machen, was ihre historisch angestammte Rolle ist: jene als die Partei für Gleichstellung und Frauenpolitik. In Anlehnung an ein frauenpolitisches Credo aus dem aktuellen Parteiprogramm könnte man formulieren: »Wer die menschliche SPD will, muss die männliche überwinden.«

 

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