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Über die Zukunft der Kooperation zwischen Mali und Deutschland Wohin die Reise gehen soll

Ende 2022 hat die deutsche Regierung beschlossen, den Bundeswehreinsatz im Rahmen der UN-Mission MINUSMA in Mali bis Mai 2024 zu beenden. Was bedeutet diese Entscheidung für die Kooperation zwischen beiden Ländern und woran kann in Zukunft angesetzt werden?

Das Land ist, wie die gesamte Sahelzone, mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert: militärische Konflikte, extreme Armut, Auswirkungen des Klimawandels, Bevölkerungswachstum und Jugendarbeitslosigkeit. All das in Kombination führt zu einer politischen und sozialen Fragilität, die durch terroristische Bedrohungen, COVID-19-Pandemie und den Krieg Russlands in der Ukraine noch verstärkt wird, begleitet von einer allgegenwärtigen Korruption und laxen Strafverfolgung.

Deutschland war das erste Land, das die Unabhängigkeit Malis anerkannte, und es war an der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (MINUSMA) mit mehr als 1.000 Soldaten und auch an den europäischen Missionen (EUCAP Sahel Mali und EUTM) stark beteiligt. Deutschland wird in Mali grundsätzlich als seriöser und aufrichtiger Partner in der Zusammenarbeit wahrgenommen, als befreundetes Land.

Aber diese von malischer Seite empfundene Freundschaft scheint, so die Wahrnehmung im Land, nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Zwar wird sie in offiziellen Reden höflich immer wieder betont, in der deutschen Bevölkerung scheint sie aber so gut wie nicht verankert. Sehr oft wird dort die Meinung vertreten, dass Deutschland keine besonderen wirtschaftlichen Interessen in Mali zu wahren habe und deshalb die Entwicklungszusammenarbeit nur als eine Art Geschenk anzusehen sei.

Überhaupt erst mit der Zuspitzung der malischen Multi-Krise und der deutschen Militärbeteiligung an der MINUSMA-Mission ist Mali in Deutschland zum Thema des allgemeinen Interesses geworden. Soweit es Mali und die Sahelzone betrifft, organisiert Deutschland seine Kooperationsbeziehungen ansonsten betont multilateral – über die Europäische Union, die UN beziehungsweise die Afrikanische Union. Aber dabei haben wahrlich nicht alle beteiligten Länder die gleichen soziopolitischen, ökonomischen, geopolitischen und ökologischen Ansätze.

Auch die malische Bevölkerung nimmt die Rolle, die Deutschland bisher spielte, meist nicht in Gänze wahr. Nur wenige Malier:innen wissen, wie viele deutsche Soldaten und Polizisten im Rahmen der MINUSMA-Mission zum Einsatz kamen. Deshalb verläuft die Debatte um einen möglichen Abzug Deutschlands einseitig. Je größer die Sorge wegen des Einsatzes in Deutschland wurde, umso mehr wurde sie auch Bestandteil offizieller Reaktionen in den drei Regionen Malis, in denen die deutschen Soldaten stationiert waren (Gao, Timbuktu und Mopti).

Es ist jetzt mit der deutschen Abzugsentscheidung unbedingt notwendig, die Zusammenarbeit neu zu definieren und zu aktualisieren. Deutschland bekommt für sein multilaterales Engagement viel Lob. Seine Erfahrungen in der Sahelzone sollten aber zum Beispiel besser genutzt werden, um die Afrikapolitik der EU insgesamt zu verbessern – und dabei auch nach Lösungen zu suchen, wie Europa den sicherheitspolitischen Herausforderungen und Bedrohungen in der Sahelzone besser gerecht werden könnte.

In diesem Zusammenhang könnte Deutschland angesichts der Schwierigkeiten Frankreichs, die Stabilität der Sahel-EU-Beziehungen zu gewährleisten, zur neuen Brücke zwischen Mali oder sogar der gesamten Sahelzone und der EU werden. Wenn Deutschland das durch den Abzug Frankreichs entstandene Vakuum füllen würde, wäre das für Europa insgesamt eine wichtige strategische Weichenstellung. Dazu müsste Deutschland jetzt aber seine bilateralen Beziehungen zu Mali neu analysieren – und im Ergebnis hoffentlich die Zusammenarbeit mit Mali und den anderen Ländern der Sahelzone verlässlich ausbauen, statt sie zu reduzieren. Es wäre ein Paradigmenwechsel, der aber auch neue Chancen mit sich brächte – in den bilateralen Beziehungen, genauso aber auch bei multilateralen Ansätzen.

Der beschlossene Abzug deutscher Truppen aus der MINUSMA bis 2024 ist traurig, aber verständlich angesichts der Herausforderungen, vor denen die UN-Mission im Land seit dem Sturz des demokratisch gewählten Regimes von Präsident Ibrahim Boubacar Keita im Jahr 2020 stand.

Die Beziehungen zur aktuellen malischen Regierung sind letztlich ungeklärt. Aber damit ist es auch nicht zwingend, dass der Rückzug der Bundeswehr aus der UN-Mission direkte Auswirkungen auf die Entwicklungshilfe hat. Im Gegenteil, Deutschland zeigt mit der Fortsetzung seiner Entwicklungshilfe, dass es nicht die gleichen Ziele, nicht die gleichen Prinzipien, geschweige denn die gleiche Politik wie einige andere EU-Staaten verfolgt.

Was kann Deutschland anders machen?

Berlin sollte sich auf die malische Jugend konzentrieren und massiv in sie investieren. Die Bevölkerung der Sahelzone wird im Schnitt immer jünger, in die Jugend zu investieren bedeutet, der Sahelzone die für ihre Entwicklung erforderlichen Humanressourcen zur Verfügung zu stellen. Es bedeutet auch, die demokratisch-gesellschaftliche Verankerung so zu gewährleisten, dass junge Menschen sich der Bedeutung dieser Werte für die lokale und nationale Entwicklung bewusst sind – aber vor allem, dass sie weltoffen sind. Die Zivilgesellschaft muss hierbei vorangehen, die Kultur muss der Motor dieses Dialogs im Sinne einer ganzheitlichen und gegenseitigen Betrachtung gemeinsamer Herausforderungen und ihrer Wechselwirkungen sein.

Investitionen in Afrika dürfen dann aber nicht nur kommerzieller Natur sein, sondern müssen eine humane Dimension haben. Nur dann werden sie die Möglichkeiten von afrikanischen Nationalstaaten, regionalen und kontinentalen Gemeinschaften stärken. Mehr als 60 Jahre nach der Unabhängigkeit der meisten Sahelländer ist die Armut dort immer noch enorm. Afrika spielt eine marginale Rolle im Welthandel, die schwache Industrialisierung des Kontinents, das galoppierende Bevölkerungswachstum machen viele der bisherigen Investitionen in Bildung, Gesundheit und andere wesentliche Dienstleistungen wirkungslos. Dieses Scheitern ist nicht nur das Scheitern Malis, der Sahelzone oder Afrikas, sondern der Entwicklungszusammenarbeit insgesamt.

Grundlagen für einen neuen partnerschaftlichen Rahmen

Der Wandel hin zu einem neuen gemeinsamen partnerschaftlichen Rahmen muss aber auch frei von patriarchalischer Haltung sein. Und wichtig ist, dass die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich Sicherheit und Entwicklung unter Achtung der Menschenrechte in den Mittelpunkt der Partnerschaft gestellt werden. Es ist ein vielzitiertes Argument und es stimmt: Europa darf es sich nicht leisten Russland und anderen Ländern (China, Türkei) die Entwicklung in Afrika und speziell der Sahelzone zu überlassen.

Was sich daraus als Schlussfolgerung ergibt? Zumindest diese Ansatzpunkte sind für die Zukunft wichtig:

  • Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Belange müssen von den militärischen Fragen getrennt bleiben.
  • Nötig ist mehr echter Dialog – also ausdrücklich auch Begegnungsmöglichkeiten auf allen Ebenen, denn den Bevölkerungen und nicht nur den Regierungen der Sahelzone muss stärker zugehört werden.
  • Die jetzige malische Übergangsregierung sollte nicht zum Paria erklärt werden. Es ist immer besser, den Kontakt zu halten, wenn wirklich etwas bewegt werden soll.
  • Deutschland sollte sich im Reformprozess des UN-Sicherheitsrates aktiver für eine größere Rechenschaftspflicht der Afrikanischen Union bei der Prävention und Bewältigung von Krisen auf dem Kontinent engagieren.
  • Über deutsche Aktivitäten in Mali und der Sahelzone sollte effektiver kommuniziert werden, um die Unterstützung bei der lokalen Bevölkerung zu verbessern.
  • Zivilgesellschaftliche Akteure sollten besser unterstützt werden. Letztlich sind sie es, die es am ehesten schaffen können, einen erfolgversprechenden Ansatz der Kooperation voran zu bringen.

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