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Geschlechtergerechter Arbeitsmarkt durch veränderte Rahmenbedingungen? Wunsch und Wirklichkeit

Trotz einer Reihe rechtlicher und institutioneller gleichstellungspolitischer Verbesserungen in den vergangenen Jahren bestehen geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt fort: Zwar haben sich die Erwerbsquoten von Männern und Frauen über die Jahre deutlich angenähert, aber es gibt weiterhin eklatante Unterschiede hinsichtlich der Aufteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit. Frauen sind in deutlich geringerem Umfang als Männer erwerbstätig, insbesondere wenn sie Kinder haben. Mütter verwenden unverkennbar mehr Zeit auf Kinderbetreuung und nehmen sehr viel länger Elternzeit als Väter. Außerdem reduzieren sie ihre Arbeitszeiten oftmals (dauerhaft) nach der Geburt eines Kindes. Bei Vätern ist dies weitaus seltener der Fall.

Politisch relevant ist all dies nicht nur angesichts ungleicher Einkommen und Aufstiegschancen von Männern und Frauen, sondern auch angesichts der Tatsache, dass diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung heutzutage nicht den Wünschen vieler Menschen entspricht.

Doch was wünschen sich Männer und Frauen eigentlich? Wie möchten Eltern Erwerbs- und Familienarbeit idealerweise aufteilen? Antworten auf diese Fragen sind oftmals von den verfügbaren individuellen Möglichkeiten und Gegebenheiten abhängig. Würde das monatliche Einkommen überhaupt reichen, wenn die Frau die Haupternährerin wäre? Wären die Kinder gut betreut, wenn beide Eltern erwerbstätig wären? Um herauszufinden, wie Eltern »wirklich« leben und arbeiten wollen, reicht es also nicht, sie lediglich nach ihren Präferenzen unter dem Status quo zu fragen.

Denn: Individuelle Wünsche und Präferenzen werden wesentlich durch die Verfügbarkeit individueller und kollektiver Ressourcen geprägt. Diese Idee liegt auch dem von Amartya Sen entwickelten »Befähigungsansatz« zugrunde. Damit Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können, müssen auch die »Verwirklichungsmöglichkeiten« hierfür gegeben sein. Würden Männer und Frauen Erwerbs- und Familienarbeit möglicherweise anders aufteilen, wenn die institutionellen Rahmenbedingungen Eltern zu einer gleichberechtigteren Aufteilung »befähigen« würden?

Im Rahmen einer Studie am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) haben wir untersucht, wie sich veränderte familienpolitische Rahmenbedingungen auf die Arbeitszeitwünsche von Müttern und Vätern auswirken würden. Wie sähe die Wunscharbeitszeit von ihnen aus, wenn es ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle gäbe oder wenn die Kinderbetreuungsinfrastruktur besser wäre? Würden sich Mütter und Väter Elternzeiten anders aufteilen, wenn statt der derzeit zwei künftig vier Partnermonate für den vollen Elterngeldbezug notwendig wären?

Zunächst zu den Arbeitszeitwünschen. Viele Eltern von Kleinkindern in Deutschland wünschen sich kürzere Arbeitszeiten: Mehr als jede dritte Mutter (35 %) und rund vier von zehn Vätern (42 %) wünschen sich eine egalitärere Aufteilung des Erwerbsumfangs. Während die tatsächlichen Arbeitszeiten der befragten Väter und Mütter derzeit weit auseinanderliegen (die befragten Väter sind im Schnitt 42 und die Mütter 24 Wochenstunden erwerbstätig), nähern sich die Wunscharbeitszeiten an und betragen bei Vätern 35 und bei Müttern 23 Wochenstunden.

Würden sich die präferierten Wunscharbeitszeiten weiter annähern, wenn die institutionellen Rahmenbedingungen dies ermöglichten? Mit Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes 2001 wurde u. a. Arbeitnehmern das Recht auf eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit gewährt. Damit eine Teilzeit aber nicht »zur Falle« und zumindest eine zeitlich begrenzte Teilzeit auch für Väter attraktiv wird, steht seit einiger Zeit ein Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz zur Diskussion (und wurde nun bereits zum zweiten Mal als »befristete Teilzeit« in den Koalitionsvertrag aufgenommen). Gefragt nach den Arbeitszeitwünschen vor dem Hintergrund eines potenziellen Rückkehrrechts auf eine Vollzeitstelle, geben Väter einen auf 34 Wochenstunden reduzierten Arbeitsumfang an und damit im Durchschnitt eine weitere Stunde weniger, als ihre derzeit gewünschte Arbeitszeit schon beträgt. Betrachtet man nur die vollzeitarbeitenden Väter, dann reduzieren sich die gewünschten Arbeitszeiten sogar durchschnittlich um zwei weitere Stunden.

Für die befragten Mütter, die ja bereits heute zu hohen Anteilen in Teilzeit arbeiten, ist ein potenzielles Rückkehrrecht weniger relevant. Ihre durchschnittliche Wunscharbeitszeit liegt derzeit bei 23 Wochenstunden; bei einem Rückkehrrecht läge diese bei insgesamt 24 Wochenstunden. Unter den vollzeiterwerbstätigen Müttern trägt ein Rückkehrrecht zu einer Erhöhung der Wunscharbeitszeiten um eine weitere Stunde bei (auf durchschnittlich 28 Wochenarbeitsstunden). Damit würden sich die Arbeitszeitwünsche von Vätern und Müttern zumindest leicht annähern – wobei sich die gewünschte Arbeitszeit von Vätern um bis zu zwei Stunden reduzieren und die von Müttern um eine erhöhen würde.

Relevanter für Mütter scheinen Verbesserungen bei der Kinderbetreuung zu sein. Obwohl ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr in Deutschland besteht, fehlt es bislang noch immer an (qualitativ hochwertigen) Betreuungsplätzen. Hätten Familien Zugang zu qualitativ hochwertiger und kostengünstiger Kinderbetreuung, geben Mütter an, dass sie ihre gewünschte Wochenarbeitszeit im Schnitt um zwei auf 25 Wochenstunden erhöhen wollen würden. Würden also Mütter ihre Wunscharbeitszeiten bei diesen hypothetisch veränderten Rahmenbedingungen leicht erhöhen wollen, macht der Zugang zu Kinderbetreuung bei den Vätern insgesamt hinsichtlich ihrer gewünschten Arbeitszeiten keinen Unterschied.

Wie sieht es nun hinsichtlich der Aufteilung von Elternzeiten aus? Derzeit nimmt mehr als ein Drittel der Väter neugeborener Kinder das 2007 eingeführte Elterngeld in Anspruch. Allerdings tun dies rund 80 % dieser Väter lediglich für die zwei Monate, die andernfalls verfallen würden, während knapp 90 % der Mütter die Höchstdauer von 12 Monaten in Anspruch nehmen. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Entspricht diese Aufteilung den Wünschen junger Eltern? Unsere Daten zeigen, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Viele Väter würden gerne länger Elternzeit bzw. überhaupt Elternzeit nehmen, befürchten aber finanzielle und berufliche Nachteile, wenn sie diesen Wunsch tatsächlich umsetzten.

Könnten vielleicht auch hier veränderte Rahmenbedingungen Eltern zu einer anderen Aufteilung der Elterngeldmonate »befähigen«? Unsere Untersuchung zeigt: Würden die Partnermonate von zwei auf vier erhöht, würde rund die Hälfte der Väter (51 %) zwischen drei und fünf Monate in Elternzeit gehen wollen. Bei dieser hypothetischen Änderung würde der Anteil der befragten Mütter, die sich eine einjährige oder längere Elternzeit wünschen, um 11 Prozentpunkte auf 75 % sinken. Die Ausweitung der Partnermonate scheint also vielversprechend zu sein, wenn es darum geht, eine partnerschaftlichere Aufteilung der Familienarbeit anzustreben und Väter mehr in die Familienarbeit einzubeziehen.

Halten wir also fest: Für die Wünsche von Eltern scheint insbesondere eine Ausweitung der Partnermonate im Rahmen des Elterngeldbezugs relevant zu sein. Ein potenzielles Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle und der Ausbau an Kinderbetreuung könnten zu einer leichten Erhöhung der Arbeitszeitwünsche von Müttern und einer Reduktion der Arbeitszeitwünsche von Vätern um bis zu zwei Wochenstunden führen, wodurch sich die (gewünschten) Arbeitszeiten von Müttern und Vätern etwas annähern würden. Diese Angleichung der Arbeitszeitwünsche erscheint zwar eher gering, sollte aber v. a. im Hinblick darauf bewertet werden, dass Eltern ihre gewünschten Arbeitszeiten unter veränderten Rahmenbedingungen leichter realisieren könnten.

Eine Angleichung des Erwerbsumfangs bei einer gleichzeitigen egalitäreren Aufteilung von Familienarbeit könnte zu einem Abbau von Arbeitsmarktnachteilen von Frauen beitragen. Wichtig ist es darum – und das zeigen die Auswertungen zu den Arbeitszeitwünschen vor dem Hintergrund veränderter institutioneller Rahmenbedingungen – Männer bzw. Väter explizit zu adressieren und es auch ihnen zu erleichtern, ihre Arbeitszeiten zu reduzieren und Erwerbspausen einzulegen, um sich mehr in die Familienarbeit einzubringen. Im Sinne von Sens »Befähigungsansatz« könnten veränderte institutionelle Rahmenbedingungen also Eltern bei der Umsetzung ihres Wunsches nach mehr Partnerschaftlichkeit unterstützen.

(Die Studie »Warum nicht fifty-fifty? Betriebliche Rahmenbedingungen der Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit in Paarfamilien« ist unter www.wzb.eu abrufbar.)

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