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Lebenswerte Zukunft durch konsequente Kreislaufwirtschaft Zuversicht statt Panik 

Unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft gedeihen nur, wenn das Klima stimmt, die Artenvielfalt stabil bleibt und mit Ressourcen vorausschauend umgegangen wird. Denn wenn uns keine Ressourcen mehr zur Verfügung stehen, um Häuser zu bauen, Kleidung zu nähen, Lebensmittel zu produzieren und Konsumgüter herzustellen, kann nicht nur kein Wirtschaften mehr stattfinden, dann ist ein gutes Leben auf der Erde schlicht nicht mehr möglich. Das ist eine einfache Gleichung. 

»Es erscheint paradox, dass der Diskurs um Nachhaltigkeit, Klima- und Ressourcenschutz in einer Krise steckt.«

Ebenso klar ist, dass sich unsere Gesellschaft im vergangenen Jahrhundert in die entgegengesetzte Richtung entwickelt hat. Wir verbrauchen mehr Ressourcen als die Erde nachproduzieren kann. Wir haben Materialien erfunden, die noch Jahrtausende lang Böden und Gewässer verseuchen werden. Und wir haben Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten entwickelt, die nicht nur Müll und Gesundheitsschäden erzeugen, sondern zudem auf dem Rücken sozial schwacher Menschen erbaut wurden. Wir handeln alles andere als zukunftsfähig. Da erscheint es doch nahezu paradox, dass der Diskurs um Nachhaltigkeit, Klima- und Ressourcenschutz sowie den Erhalt und Aufbau von Biodiversität derzeit in einer Krise steckt. 

»I don’t want you to be hopeful, I want you to panic!« Rund fünf Jahre ist es her, dass die Umweltaktivistin Greta Thunberg diesen Satz beim Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt hat. Und es scheint, als hätten weltweit viele Politiker*innen diesen Satz gehört und beherzigt: Durch strengere Reduktionsziele für CO2-Emissionen, höhere Recyclingquoten und Gesetze wie dem Verbot von Einwegplastik. Die breite Bevölkerung wurde damit aber nicht erreicht. Die jüngsten Wahlergebnisse zeigen, dass Angst vor Krieg oder einer steigenden Inflation wichtiger eingeschätzt wird, als der Erhalt unserer Lebensgrundlage. Wie kann es sein, dass ein Ansatz, der uns vor Gefahren schützen und Verbesserungen bringen möchte, als Angriff verstanden wird und Abwehrreaktionen hervorruft, die bis hin zur Wahl undemokratischer Parteien reichen? 

Vielleicht liegt es daran, dass der bisherige Ansatz und die mit ihm verbundenen Botschaften den Menschen nicht im Mittelpunkt sehen?

Wir sagen den Bürger*innen seit Jahren, dass sie nahezu alles falsch machen und daher aufhören sollten, Verbrennerautos zu fahren oder Kunststoffverpackungen zu nutzen. Zusätzlich zu ihren alltäglichen Ängsten und Sorgen bekommen Bürger*innen die Aufgabe, die Zukunftsfragen der Menschheit zu lösen, indem sie sich einschränken. Fair ist das nicht, denn sie sitzen im Vergleich zu Wirtschaft und Politik am kürzeren Hebel. Konsummuster zu ändern ist eine soziale Frage und das wird sie auch bleiben, wenn wir die Strukturen unseres gesellschaftlichen Handelns nicht ändern.

»Menschen mit wenig Geld leiden am meisten unter den Auswirkungen der klima-, umwelt- und gesellschaftsschädlichen linearen Wirtschaft.«

Weltweit leiden Menschen mit wenig Geld am meisten unter den Auswirkungen der klima-, umwelt- und gesellschaftsschädlichen linearen Wirtschaft. Menschen mit geringeren Einkommen wohnen in urbanen Räumen beispielsweise meist dort, wo besonders hohe Feinstaubbelastungen gemessen werden, da dort die Mieten am geringsten sind. Sie können sich den Verzicht auf schädliche Produkte, die unter den Bedingungen der linearen Wirtschaft oft die billigsten sind, nicht leisten. Oder sie haben nicht die Zeit und die Kapazitäten, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen. Wer ohne das Gefühl, wirklich eine Wahl zu haben, für sein Handeln kritisiert wird, fühlt sich verständlicherweise ungerecht behandelt.

Reaktion statt aktiver Gestaltung 

Verzicht und Reduktion ist nicht nur eine wenig glaubwürdige, sondern auch keine ausreichende Strategie, um eine systemische Wende hin zum Besseren zu erreichen. Wir haben schlicht zu viele Kipppunkte bereits überschritten, als dass es ausreichen würde, etwas weniger schlecht zu handeln und etwas weniger schädlich zu sein. Es reicht nicht aus, punktuell und unabhängig voneinander CO2-Emissionsgrenzen zu senken oder Recyclingquoten zu erhöhen.

Gewiss wird von vielen anerkannt, dass strukturelle und ganzheitliche Veränderungen nötig sind. Gerade entsteht etwa die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), die auf die Ziele des European Green Deal einzahlen soll und eine der ersten Strategien ist, die diese strukturelle Transformation voranstellt und Klimaschutz sowie einen anderen Umgang mit Ressourcen umfasst. Doch auch diese Strategie geht noch nicht weit genug und beruht auf Reduktionszielen wie der Senkung des Primärrohstoffverbrauchs bis 2045 auf acht Tonnen pro Kopf und Jahr. Auch mit der NKWS reagieren wir passiv auf Konsequenzen unseres eigenen Handelns, statt aktiv anders zu handeln. Quoten können eine nützliche Hilfe sein, doch eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs sollte erst gar nicht das primäre Ziel sein. Denn eine echte Kreislaufwirtschaft haben wir erst dann erreicht, wenn wir Ressourcen nicht mehr verbrauchen, sondern so nutzen, dass sie immer wieder neu nutzbar sind. Dadurch benötigen wir automatisch weniger Primärrohstoffe, halten diese im Kreislauf, lassen sie nicht zu wertlosem Müll werden und betreiben gleichzeitig aktiven Klimaschutz. Wir benötigen also konkrete Zielbilder und eine klare Idee, wie eine bessere Gesellschaft für uns alle aussieht.

Der Mensch als Nützling

Cradle to Cradle (C2C) geht als gesellschaftlicher Ansatz davon aus, dass Menschen Nützlinge sein können, die durch ihr Handeln einen positiven ökologischen, ökonomischen und sozialen Mehrwert erzeugen und das Leben auf unserem Planeten fördern können. Zu diesem Ansatz gehört auch eine konse­quente Kreislaufwirtschaft, die durch einen Fokus auf Produktdesign einen anderen Umgang mit endlichen Rohstoffen ermöglicht und so einen positiven Einfluss auf das Klima und die Biodiversität hat. 

»Gelangen Produkte oder ihre Bestandteile in die Umwelt, müssen sie dafür geeignet und biologisch abbaubar sein.«

Gemäß diesem Ansatz werden Ressourcen so eingesetzt, dass sie unendlich in biologischen und technischen Kreisläufen zirkulieren können. Grundlegend ist die Frage, wie Produkte konkret genutzt werden. Gelangen Produkte oder ihre Bestandteile bei der Nutzung unweigerlich in die Umwelt, müssen sie auch für dieses Szenario geeignet und damit biologisch abbaubar sein – gesund für Mensch und Umwelt. Das gilt etwa für Reifenabrieb, Reinigungsmittel oder Textilfasern, die in der Waschmaschine abgerieben werden. Gelangen keine Bestandteile in die Umwelt, wie es bei den meisten technischen Gütern der Fall ist, müssen die Produkte so designt und hergestellt sein, dass sich ihre Bestandteile nach der Nutzung sortenrein trennen lassen, in technologischen Kreisläufen zirkulieren und immer wieder zum Rohstoff für etwas Neues werden können.  

In den Wertschöpfungsketten von C2C-Produkten wird ausschließlich erneuerbare Energie aus kreislauffähigen Anlagen eingesetzt. Faire Arbeitsbedingungen und -formen sind in allen Stufen aller Lieferketten der Standard. Wasser wird genutzt statt verbraucht und bestenfalls sauberer zurück in die Natur geleitet, als es entnommen wurde. Böden und andere Ökosysteme werden nicht nur geschützt, sondern ihre Qualität aktiv verbessert, indem die Nährstoffe, die wir ihnen entnehmen, wieder zurückgeführt werden. Das sorgt dafür, dass wir auch perspektivisch für Nahrungsmittelsicherheit sorgen können. Und wir bauen dadurch auch aktiv Kohlenstoffsenken auf, ermöglichen ein effektives Management von CO2 und anderen klimaschädlichen Gasen und sorgen für saubere Luft. 

Transformation als Chance für alle 

Es gibt auch in Deutschland zahlreiche Unternehmen, Projekte, Startups und Kommunen, die bereits heute konkret vormachen, wie es geht. Sie sind durch die Umsetzung von C2C unternehmerisch erfolgreich und schaffen positive Effekte für Wirtschaft, Mensch und Umwelt: öffentliche und private Gebäude aus gesunden und kreislauffähigen Materialien etwa, die mehr können als Wohn- oder Arbeitsraum zu bieten. Sie erzeugen mehr erneuerbare Energie als sie benötigen, bauen durch Begrünungen Biodiversität auf und reinigen die Luft, sie sind soziale Orte und generationenübergreifende Treffpunkte, sie nutzen Regenwasser und halten es im Kreislauf und vieles mehr. Manche Kommunen richten ihre Beschaffung nach C2C aus. Einige Textilfirmen verwenden biologisch abbaubares Gewebe sowie biologisch abbaubare Druckfarben und setzen bei der Produktion nur unbedenkliche Prozesschemikalien ein. Sie halten dadurch nicht nur Wasser sauber, sondern sorgen damit auch für die Gesundheit ihrer Arbeiter*innen und letztlich auch der Endkonsument*innen, die nun nur noch mit gesunden Materialien in Berührung kommen. Manche Hersteller von C2C-Produkten verkaufen nicht das Produkt selbst, sondern dessen Nutzung. Durch die Rücknahme wird dafür gesorgt, dass ihre Bestandteile in den richtigen Kreisläufen zirkulieren.

»Verzicht und Reduktion müssen nicht im Mittelpunkt stehen.«

Doch der wichtigste Aspekt für unser gesellschaftliches Zusammenleben ist, dass die Ansprache an die Menschen eine grundsätzlich andere ist: Der Ansatz C2C zeigt, dass wir unsere Gesellschaft und unsere Lebensbedingungen verbessern können. Verzicht und Reduktion müssen nicht im Mittelpunkt stehen. Stattdessen entscheiden wir uns aktiv für etwas Besseres und nehmen die damit einhergehende Transformation als Chance für alle wahr: für eine Politik, die durch entsprechende Rahmenbedingungen dafür sorgen kann, dass die negativen Effekte linearen Handelns eingepreist werden, wodurch sich schädliches Wirtschaften finanziell nicht mehr lohnt. Für Unternehmen, die mit ihren C2C-Innovationen vorangehen und sich damit Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Und für die Menschen, die davon profitieren, weil sie nicht mehr für Umweltschäden, Entsorgungs- oder Gesundheitskosten aufkommen müssen, die andere verursacht haben. 

Cradle to Cradle ist eine zielführende Strategie für eine lebenswerte Zukunft. Der Ansatz begegnet Menschen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern motiviert sie dazu, selbst etwas Positives in Bewegung zu setzen. Die Gesellschaft als Ganzes reagiert nicht nur, sondern arbeitet gemeinsam auf ein positives Zielbild hin, das für alle spürbare Vorteile mit sich bringt. In diese Richtung können wir nur steuern, wenn nicht Panik, sondern Zuversicht, Wissenschaft und Mut unsere Ratgeber sind.

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