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Zwischenruf: Botschaften aus Amerika

Viele unliebsame Überraschungen haben wir jüngst bei Wahlen erlebt, bis hin zum schieren Entsetzen. Es schwelt überall unter der Oberfläche so manches, das sich vorher kaum zu erkennen gibt, bestärkt durch unsere Neigung zum Beruhigen und Abwiegeln. Der Schrecken kommt oft ohne Vorwarnung – auch in dieser Hinsicht muss uns die amerikanische Wahl schnell und gründlich wachrütteln. Es hat dem ebenso kuriosen wie brandgefährlichen, zum Populisten umgeschminkten Milliardär Donald Trump nicht nur keinen Schaden zugefügt, dass die seriösen Medien und die ganze etablierte Politik samt seinen eigenen führenden Parteifreunden einen scharfen Kurs gegen ihn gefahren sind und Punkt für Punkt klarstellen konnten, dass seine erratischen Wahlversprechen gerade dem Kern seiner Anhänger die versprochene Verbesserung ihrer Lage nicht bringen werden. Im Gegenteil – das Dauerfeuer der breiten Front der Warner hat ihn erst groß gemacht und ein sehr massiv gefühltes Bedürfnis seiner Wähler schon mit dem Wahlsieg selbst befriedigt: die symbolische Rache an den Mächtigen, die so viele Jahre lang in ihrem arroganten Wahn gemeint hatten, auf sie, »das einfache Volk«, nicht hören zu müssen. Ohne sein Geschick, ganz gleich wie widerlegt er denn mittlerweile schon war, stets mit seinen Botschaften im Mittelpunkt des ganzen Medieninteresses zu verharren, online und offline, hätte es Trump nicht geschafft.

Zwei Lehren sind es, die daraus für den Wahlkampf in diesem Jahr bei uns gezogen werden müssen. Die erste liegt auf der Hand: Es darf in diesem Land nicht um die AfD gehen, welche Provokationen diese sich auch immer einfallen lassen mag. Die Parteien, voran die großen mit der Potenz, im Erfolgsfall die Regierung führen und die Richtung der Politik prägen zu können, müssen gegeneinander ein klares Programmprofil demonstrieren und damit zeigen, dass diese Wahl für das, was im Land danach passiert, wirklich eine bedeutende Rolle spielt. Von der Sozialdemokratie verlangt das vor allem personell und inhaltlich drei eindeutige Botschaften:

Erstens: mehr Gleichheit und Aufstiegschancen, damit die Gesellschaft zusammenhält, mehr öffentliche und soziale Sicherheit, um die tatsächlichen und gefühlten Ängste und Verunsicherungen aufzufangen und mehr Chancen und Anerkennung für jene, die abgehängt, verunsichert, beiseite gelassen sind oder in diesem Empfinden leben. Diese kurze Botschaft, ein Bündel von Maßnahmen, die sie erhärten und beglaubigen, sowie einen Kandidaten, der es verkörpert – das wäre der Kern eines Erfolgrezepts.

Zweitens: unsere offiziellen Massenmedien warten, wie im letzten Wahlkampf, nicht gerade darauf, die Botschaft der Sozialdemokratie zu multiplizieren. Fast das einzige, was von Trumps Wahlkampf für sie zu lernen wäre, ist seine Fähigkeit, auch ohne Rückhalt in den Massenmedien große Teile der Gesellschaft zu erreichen: durch geschickte, schnell reagierende und lückenlose Nutzung auch der sozialen Medien.

Und drittens muss die Partei auf Sieg setzen und nicht bloß auf Platz. Wenn der Eindruck entsteht, sie halte schon selbst nicht mehr für möglich als die abermalige Rolle des Juniorpartners in einer großen Koalition, ist für sie nicht viel zu gewinnen. Sie muss vielmehr um die Seniorrolle in einer eigenen Mitte-links-Koalition zumindest glaubhaft kämpfen.

Da müsste doch etwas zu machen sein!

 

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