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Zur Debatte über einen unbedachten Vorschlag Zwischenruf: Feiertag von oben?

Es ehrt den Bundesinnenminister, dass er mit dem Vorschlag für einen muslimischen Feiertag in Deutschland ein Zeichen für religiöse Toleranz zu setzen sucht. Lob gebührt auch denen, die ihm mit dem Argument beigesprungen sind, der zusätzliche Feiertag biete die Chance, das Gefühl für religiöse Traditionen im christlichen Bewusstsein zu vertiefen. Tatsächlich vermag die in der Nachbarschaft erfahrene Pluralität religiöser Lebensformen die Aufmerksamkeit für den eigenen Glauben zu stärken.

Die Frage ist allerdings, warum der Versuch eines solchen Entgegenkommens nicht schon längst gegenüber den jüdischen Mitbürgern gemacht worden ist. Ihnen gegenüber stehen die Deutschen in einer historischen Schuld, die besonders schwer wiegt. Und das Judentum gibt uns wahrhaft überzeugende Gründe zu sagen, dass es »zu Deutschland gehört«. Hier braucht man nicht zu befürchten, dass der erstmals von einem Bundespräsidenten geäußerte – und später von der Kanzlerin wiederholte – Satz dem großen kulturellen Problem der Integration einer anderen Religion mit der Leichtfertigkeit einer Schönwetterparole begegnet.

Vor allem aber ist es ein Irrtum, den Islam für ein Bekenntnis zu halten, das seinen Anhängern so locker sitzt, wie den aufgeklärten Europäern im angeblich säkularen Zeitalter. Reformation und Aufklärung haben die christliche Religion so verändert, dass man von ihr heute, so schwer es auch fällt, eigentlich nur noch im Plural sprechen kann. Glauben und Wissen sind im Westen derart eng verbunden, dass für viele politisch engagierte Christen Kritik und Religion zum Synonym geworden sind.

In seiner Frühgeschichte stand der Islam dem Christentum an theologischer Subtilität und wissenschaftlicher Bildung in nichts nach; er ist ihm dann leider auch in der Dogmatisierung gegensätzlicher Positionen gefolgt. Nur hat er es in seinen großen Formationen nicht ernsthaft versucht, sich aus der Verklammerung von Religion und Politik zu befreien.

Zwar gibt es inzwischen einzelne Aktivitäten aufgeschlossener Muslime, ihren Glauben der religiösen Vielfalt anzupassen. In den Reformgemeinden in London, Berlin und anderswo bemüht man sich um ein Religionsverständnis, das mit der Gleichheit und Eigenständigkeit aller Gläubigen vereinbar ist. Es gibt auch zahlreiche muslimische Schulen, in denen der Koran mit aufgeklärtem Bewusstsein gelesen wird. Das Corpus Coranicum, ein Forschungsvorhaben der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, in dem der Koran, so wie es mit der Bibel seit dem 18. Jahrhundert geschieht, historisch-kritisch gelesen wird, muss nicht, wie anfangs befürchtet, unter Polizeischutz arbeiten.

Dennoch hat sich die große Mehrheit der muslimischen Staaten der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen nicht angeschlossen. Die Führer der islamischen Geistlichkeit verwerfen den Vorrang des Menschenrechts. Nach ihrem Verständnis der Scharia gilt bereits die Trennung von Staat und Religion als verwerflich; sie ist, auch nach dem höchst wohlwollenden Urteil deutscher Islamforscher, eher eine Lebensform als ein System des Rechts. Man wird die Scharia daher schwerlich durch das Grundgesetz ersetzen können. Damit aber dürfte die elementare Bedingung eines jeden Glaubens, nämlich die Freiheit, ihm nicht nur zu folgen, sondern ihn auch aufgeben zu können, nicht gewährleistet sein.

Doch bei dem unablässigen historischen Wandel, dem insbesondere die Religionen ausgesetzt sind, kann niemand ausschließen, dass sich unter dem Einfluss anderer Kulturen manches ändert; schließlich hat sich auch das Christentum derart gewandelt, dass es seinen Platz unter rechtsstaatlichen Bedingungen finden konnte. Eine vergleichbare Entwicklung hat der Islam noch vor sich. Ihm bei seiner Integration in die Weltgemeinschaft zu helfen, ist ein humanes Gebot der Aufklärung – obgleich ihm letztlich niemand ersparen kann, seine Emanzipation aus eigener Kraft zu bewältigen.

Auch im allseitigen Interesse an der Sicherung von Freiheit und Frieden wäre es falsch, dem Islam zu unterstellen, er habe seine produktive Entwicklung schon hinter sich. Nur wäre es falsch, dem Islam mit obrigkeitsstaatlichen Zuwendungen entgegenzukommen. Es reicht aus, jede aus anerkannten Gründen nach Deutschland kommende Muslima und jeden Muslim willkommen zu heißen, sofern sie bereit sind, sich an die rechtliche Ordnung zu halten. Sie »gehören« dann zu Deutschland und mit ihnen auch ihre Religion! Unter dieser Bedingung haben sie selbstverständlich die Möglichkeit, in religiösen Gemeinschaften zu leben und ihre Feiertage zu begehen.

Mit diesem Recht sind sie auch gegen mögliche Einschränkungen geschützt. Sie können durch eigenes zivilgesellschaftliches Engagement, in Absprache mit Nachbarn, Kommunen und Arbeitgebern, die Gelegenheit ergreifen, ihren religiösen Verpflichtungen nachzukommen und ihre Feste zu feiern. Nur: Den eigenen, nicht von außen bestimmten Einsatz für ihre Religion sollte man ihnen nicht erlassen.

In der soeben getroffenen Koalitionsvereinbarung des Landes Niedersachsen wird ein Beispiel dafür gegeben, wie man heute mit der Einführung eines Feiertags umzugehen hat: Nicht »Top down«, sondern im Verein mit den an den Fragen interessierten Menschen: also »Bottom up«.

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