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© Foto: picture alliance / imageBROKER | Helmut Meyer zur Capellen

Zur Auseinandersetzung Max Bächers mit Leben und Werk von Albert Speer Architektur, Macht, Faschismus

Heinrich Klotz, vor allem bekannt als Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, nannte 1994 den Entwurf des Architekten Hans Kollhoff für den Potsdamer Platz in Berlin »faschistoid«. Am Beispiel der Rekonstruktion der neuen Frankfurter »Altstadt« befeuerte unlängst der Architekturtheoretiker Stephan Trüby die Debatte um eine Etablierung rechter Räume im Zusammenhang mit der Zunahme der Rekonstruktionsarchitektur in Deutschland.

Die Architekturhistorikerin Frederike Lausch, die derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Architektur und Kunstgeschichte der TU Darmstadt tätig ist, spürt in dem Band Faschismus und Architektur. Max Bächers Auseinandersetzung mit Albert Speer diesen Fragen in anregender Weise nach, die weit über eine analytische Einzelbetrachtung von Leben und Werk des umstrittenen Architekten hinausreicht.

Der Band stellt an den Beginn ein Faksimile der handschriftlichen Notizen des 1925 in Stuttgart geborenen Max Bächer über einen Besuch bei Albert Speer in Heidelberg. Bächer, der selbst die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt hatte, wurde nach seinem Architekturstudium an der TH Stuttgart und am Georgis Institute of Technology in Atlanta als Architekt in den Nachkriegsjahren zu einer Schlüsselfigur nicht nur des Bauens, sondern als Hochschullehrer, Publizist und Juror auch des Architekturdiskurses. Er suchte im Jahr 1973 den 1905 geborenen Albert Speer in dessen Zuhause auf. Und sprach mit dem einflussreichsten Architekten der NS-Zeit, der 1931 der Partei beigetreten war und nach Umbauten für die Partei und die Parteigenossen später die Planungen von Paul Troost für den Umbau der Reichskanzlei in Berlin begleitete, wo er zum ersten Mal Adolf Hitler begegnet war. 1934 erhielt Speer den Auftrag für den Entwurf des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg und für die Neue Reichskanzlei in Berlin, ab 1937 stattete man ihn mit den Vollmachten eines Ministers aus und er folgte Fritz Todt nach dessen Ableben als Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Durch Studien und auch durch Speer und Er, eine Fernsehserie von Heinrich Breloer aus dem Jahr 2005 wissen wir heute, dass Albert Speer, der im Rahmen der Nürnberger Prozesse zu 20 Jahren Haft in der Spandauer Zitadelle verurteilt worden war, es sehr geschickt verstanden hatte, seine Rolle im Nationalsozialismus und seine Mitwisserschaft zu bagatellisieren.

Bächer, der den eloquenten Speer besuchte, näherte sich unvoreingenommen und ließ sich von dessen »bestechend zuvorkommendem Verhalten« vergleichsweise wenig beeindrucken. Sein Ziel war es, Recherchen zu einem Kapitel über Faschismus in der Architekturgeschichte beizutragen – ein Kapitel, das zu Beginn der 70er Jahre weitgehend ungeschrieben und dessen Gegenstand noch stark tabuiert war. Gemeinsam mit Vittorio Magnago Lampugnani zählen Bächers Recherchen zu den Pionierleistungen der Architekturgeschichtsschreibung der Nachkriegszeit auf diesem Sektor. Doch wenngleich Bächer sich intensiv mit dem Nationalsozialismus und seinen Bauten befasste, betrachtete er das Phänomen Faschismus als epochales, als nicht an eine bestimmte Nation oder Kulturregion gebunden. Bächer definierte den Faschismus als ein System der »politischen Gewaltherrschaft totalitären, diktatorischen und nationalistischen Charakters« und als »Ausdruck einer Reaktion sozialer Wandlung der Gesellschaft, die sich in einem kapitalistischen und industriellen Sog befindet«.

Wie Frederike Lausch nachweist, interessierte sich Bächer intensiv für die formalen Kennzeichen. Sein Blick auf klassizistische Strömungen in der Moderne führte ihn zu der Erkenntnis, dass der Klassizismus nicht grundsätzlich für den Faschismus oder den Nationalsozialismus stehe, zur Machtdemonstration aber instrumentalisiert wurde. In seiner Auseinandersetzung mit der Architektur der Moderne wies er nach, wie sich auch in zahlreichen Gebäuden der 60er und 70er Jahre ein Hang zur Monumentalität manifestiert. Kritisch reagierte Bächer in seiner Auseinandersetzung mit Architektur und Faschismus auch auf architektonische Machtdemonstrationen, sensibel auf Funktion und Wirkung von architektonischen Gestaltungsmitteln.

»Es gibt zwar keine faschistische Architektur«, heißt es in einem Vortrag in Karlsruhe im Jahr 1971, »aber es gibt den verantwortungslosen und dummen Missbrauch von Formen zur Selbstdarstellung des Architekten und zur Dokumentation von Macht. Eine ganze Reihe von Bauten stufte Bächer auf dieser Grundlage als problematisch ein, darunter das neue Mainzer Rathaus von Arne Jacobsen (1976) oder die nach Plänen von Philip Johnson zwischen 1966 und 1968 erbaute Kunsthalle in Bielefeld.

Klar wird anhand von Lauschs Band jedoch auch, dass Bächer keine architektonische Form grundsätzlich verurteilte, dass er sich einer ideologischen Argumentation verweigerte, aber dennoch auch selbst hin und wieder zumindest zu Verallgemeinerungen neigte, wenn er Vertreter seines Berufsstandes der Hybris und Nemesis verdächtigte, die künstlerisch-irrationale Charakterstruktur von Architekten und deren Anfälligkeit konstatierte.

Hatte sich Bächer zunächst zurückhaltend kritisch über Albert Speer geäußert, wurde er 1978 deutlicher. In diesem Jahr erschien das Buch Albert Speer. Bauten und Projekte 1933–1942. Bächer sah darin eine von Speer selbst kuratierte Selbstbeweihräucherung, die ihn zu einer schärferen Abgrenzung und Unmutsäußerungen im Rahmen einer Rezension in der Zeit veranlasste. Das geplante Buch über Faschismus und Architektur zu schreiben, gelang Bächer dagegen nicht. Seine umfangreichen Recherchen, aus denen zahlreiche Vorträge und Zeitungsartikel entstanden, zeigen jedoch, dass unter anderen Umständen ganz sicher eines daraus hätte werden können. So ist es höchst verdienstvoll, dass Frederike Lausch mit dieser grafisch sehr sorgfältig gestalteten und reich bebilderten Publikation nun nachweist, wie auch oder gerade unvollendete Forschungsvorhaben maßgeblich für die Rezeption von Werken werden können, wie intensiv sich Bemühungen um ein tieferes Verständnis von Ästhetik und Ideologie gestalten können, wie notwendig eine behutsame Annäherung gerade an besonders umstrittene Gegenstände ist, wie gegenläufig die Bewegungen von Vertuschung und Aufarbeitung des nationalsozialistischen Erbes verlaufen, und wie notwendig es ist, die Debatte, die Bächer zu seiner Zeit maßgeblich befördert hat, auch heute weiterzuführen.

Frederike Lausch: Faschismus und Architektur. Max Bächers Auseinandersetzung mit Albert Speer. M Books, Weimar 2021, 276 S., 191 sw Abb., Deutsch/Englisch, 15 €. Kostenloser Download: www.criticalarchitecture.org/CCSA_Topics02_Baecher_Speer_dnb.pdf

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