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Wie durch die Medien das Bild der Polizei bei Jugendlichen geprägt wird Blaulicht und Bildschirme

Die Wahrnehmung von Polizei und Strafverfolgung bei Jugendlichen wird maßgeblich von den Medien, insbesondere von amerikanischen Serien und Filmen geprägt. Diese oft idealisierten oder dramatisierten Darstellungen führen zu einer verzerrten Sicht auf die Realität. Das Projekt »Die Gläserne Stadt« des Vereins Aktion Zivilcourage hat sich zum Ziel gesetzt, durch Besuche und begleitende Workshops den medial vermittelten Bildern ein realistisches Bild von demokratischen Institutionen entgegenzusetzen.

»Und was mache ich, wenn das FBI vor meiner Tür steht?« Diese Frage stammt von einem Jugendlichen, der im Rahmen des Projekts »Die Gläserne Stadt« in meinem Workshop saß. Sämtliche Fragen sind natürlich willkommen, doch diese oder ähnliche Annahmen lassen tief blicken: Die Polizei als »Freund und Helfer« wird schon früh im Kindergarten vermittelt. Das Narrativ dazu ist zwar schon fast 100 Jahre alt (zuerst wurde es 1926 vom damaligen preußischen SPD-Innenminister, Albert Grzesinski, verwendet), zehn Jahre später aber warb Heinrich Himmler mit dem Spruch für die deutsche Polizei. Obwohl das Motto heutzutage offiziell nicht mehr von der Polizei genutzt wird  – im kollektiven Gedächtnis ist es nach wie vor stark vertreten und wird durch Film und Fernsehen weiter propagiert.

Kaum ein anderes Genre ist im deutschen Fernsehen so erfolgreich wie Polizei- oder Kriminalserien; die Übergänge sind oftmals fließend. Vor allem US-amerikanische Serien erfreuen sich großer Beliebtheit in deutschen Wohnzimmern. Pro Woche laufen etwa 30 Krimiformate im deutschen Fernsehen, dabei kommen Serien wie CSI auf ca. 60 Folgen und Auf Streife auf ca. 40 Folgen pro Woche.Eine der erfolgreichsten Serien ist Law & Order, samt der unterschiedlichen Spin-offs. Law & Order steht hier stellvertretend für Polizeiserien an sich, da Handlung und Aufbau der verschiedenen Serien nahezu identisch sind. Die Serien zeichnen sich durch eine vereinfachte Darstellung der Polizeiarbeit und des Rechtssystems aus: Menschen sind entweder schuldig oder unschuldig: Verbrecher oder rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger, gut oder böse. Viele Ermittlungen werden in weitaus kürzerer Zeit gelöst als in der Realität und die Komplexität von Ermittlungsarbeit wird (dadurch) oft unterschätzt. Die unkritische Darstellung zeigt das Polizeisystem als über dem Gesetz stehend.

»Die Serien zeichnen sich durch eine vereinfachte Darstellung der Polizeiarbeit aus.«

Ebenfalls auffällig ist die unzureichende Darstellung von ethnischen Minderheiten und sozialen Schichten. Sowohl amerikanische als auch klassische deutsche Polizeiserien sind mehrheitlich weiß, die wenigen Charaktere of colour, die vorkommen, sind entweder Nebenrollen oder Täter und Täterinnen. Die Serie bedient diskriminierende Klischees und reproduziert Racial Profiling, das in der Realität sowohl gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes als auch gegen Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Fehlverhalten der Protagonisten und Protagonistinnen wird zudem kaum verfolgt und das System Polizei als prinzipiell unfehlbar dargestellt. Real existierende Missstände – wie Machtmissbrauch, Rassismus oder verbreiteter Rechtsextremismus unter Beamtinnen und Beamten – findet in der medialen Darstellung keine Beachtung und verzerrt dementsprechend das erlernte Bild.

Ausblendung sozialer Ursachen von Kriminalität

Im vermittelten Bild von Polizei und Kriminalität werden die sozialen Ursachen von Kriminalität, Armut zum Beispiel, ausgeblendet. Der Fokus liegt in Film und Fernsehen eher auf der individuellen Schuld des Täters als auf den gesellschaftlichen Bedingungen, die zu Straftaten führen können. In vielen Serien wird Gewalt als solche zudem verherrlicht und als Mittel zur Konfliktlösung dargestellt: Schießereien, Verfolgungsjagden und körperliche Auseinandersetzungen sind allgegenwärtig. Gerade Jugendliche, insbesondere junge Männer, sprechen auf diese Art der Darstellung positiv an. In einer Phase ihres Lebens, in der Jugendliche ihre Identität für sich herausfinden, sind die stereotypischen Männlichkeitsbilder, die in Serien und Filmen transportiert werden, besonders einflussreich.

Ein weiteres beliebtes Stilmittel ist der Rogue Cop (Schurkenpolizist). Dieser Typus eines Polizisten hält sich weder an Regeln noch an geltendes Recht. Oftmals ist er Einzelgänger und seine Handlungen sind moralisch zumindest ambivalent. Nicht selten steht er im Konflikt mit seinen Vorgesetzten und dem gesellschaftlichen System, das er eigentlich schützen soll. Welche Taten als falsch gelten und verfolgt werden sollten, entscheidet er selbst.

Als Geburtsstunde dieser männlich geprägten Figur gilt der 1954 erschienene, auf dem gleichnamigen Roman basierende amerikanische Film Rogue Cop. Dieser war einer der ersten, der die Figur des rebellischen Polizisten in den Mittelpunkt der Handlung stellte und zugleich dem Phänomen einen Namen gab. Dabei liegt der abtrünnige Polizist mit seiner oftmals illegalen Herangehensweise auffällig oft gar nicht falsch. Am Ende einer Serienfolge wird der Verdächtige gefasst und von der Justiz als schuldig verurteilt. Und der Polizist? Er muss in der Regel keine Konsequenzen für sein Handeln befürchten, im Gegenteil, er wird dafür noch als Held gefeiert.

Der »Rogue Cop« verkörpert den Wunsch nach Gerechtigkeit und den Traum vom Heldentum.

Der Rogue Cop stellt gerade für Jugendliche eine starke Identifikationsfigur dar und wird als nachahmenswert wahrgenommen; er verkörpert das, was viele junge Menschen als Ideal in sich tragen: den Wunsch nach Gerechtigkeit, den Widerstand gegen Autoritäten und den Traum vom Heldentum. Viele Superhelden bedienen das gleiche Schema: Der wohl größte Held sowohl bei Kindern als auch bei Jugendlichen ist Spiderman, der seit 2016 offiziell Teil des Marvel-Teams Avenger ist. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Superhelden, die – weder demokratisch legitimiert, noch kontrolliert – für »das Gute« kämpfen und dabei Städte in Schutt und Asche legen sowie zivile Opfer in Kauf nehmen, um die Mission zu erfüllen.

Kindgerechte Verbrechensbekämpfung

Nicht nur in der Erwachsenenunterhaltung – welche jedoch auch von Jugendlichen konsumiert wird – TKKG finden sich zahlreiche Formate, bei denen Recht, Ordnung und Gehorsam eine Rolle spielen. An Kinder und Jugendliche richten sich etwa, um nur einige zu nennen: Chip und Chap, Inspector Gadget, Batman und Robin, Teenage Mutant Ninja Turtles, Scooby Doo und PawPatrol. An deutschen Produktionen sind an dieser Stelle noch Die drei ???, Die Pfefferkörner und TKKG zu nennen.

Vor allem die seit 2013 ausgestrahlte Serie Paw Patrol ist auch aus deutschen Kinderzimmern und Netflixaccounts nicht mehr wegzudenken. In den kinderfreundlichen 20-minütigen Folgen löst Polizeihund Chase zusammen mit seinen Freunden Kriminalfälle in der fiktiven Stadt »Abenteuerbucht«. Ausgestattet mit der neuesten Spionagetechnik samt eigenem Polizeiauto, Kampfausrüstung und Flugdrohnenkamera zur Überwachung stürzt sich das Team rund um Chase mit allen Mitteln in die Verbrecherjagd.

Allerdings spiegelt dieser actionreiche und oft humorvolle Ansatz die komplexe und oft gefährliche Realität der Polizeiarbeit überhaupt nicht wieder. In Serien wie Paw Patrol werden Verbrechen meist schnell gelöst, die Aufklärung eines realen Falls kann Monate oder sogar Jahre dauern.

»In Kindermedien werden die Täter bestraft und ›alles ist wieder gut‹.«

Ermittlungsarbeit umfasst oft langwierige Recherchen, Befragungen zahlreicher Zeugen, die Auswertung von Spuren und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Experten, sowie ein anschließendes Strafverfahren. Im Gegensatz dazu lösen die Welpen in »Abenteuerbucht« ihre Fälle oft innerhalb weniger Minuten, indem sie nur durch Einsatz ihrer speziellen Fähigkeiten den Bösewicht stellen. Ein weiterer Unterschied liegt in den Konsequenzen von Straftaten; in Kindermedien werden diese oft heruntergespielt. Die Täter werden in der Regel bestraft und damit ist »alles wieder gut«. In der Realität haben Straftaten oft schwerwiegende Folgen für die Opfer und die Gesellschaft. Und Polizisten und Polizistinnen müssen sich mit den komplexen Auswirkungen von Kriminalität auseinandersetzen und versuchen, den Opfern zu helfen. Außergerichtliche Lösungen wie Täter-Opfer-Ausgleiche werden in Film und Fernsehen so gut wie nie thematisiert.

Zwischen Fiktion und Realität

Viele Jugendliche sind also durch den hohen Konsum amerikanischer Medien und dem Content sozialer Medien mit Institutionen wie dem FBI oder der CIA vertraut. Diese Vertrautheit gibt es im Kontext deutscher Behörden nicht. Jugendliche nehmen oft an, dass vergleichbar strukturierte Organisationen auch in Deutschland existierten. Das führt häufig zu Aussagen wie »zum Glück wird mir ein Pflichtverteidiger gestellt, wenn ich keinen Anwalt bezahlen kann« – und es sorgt für Verwunderung, wenn ich den Irrglauben aufkläre.

Das fehlende Wissen über die deutsche Polizeiarbeit besonders hinsichtlich des föderalen Systems führt dazu, dass Jugendliche Schwierigkeiten haben, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Das Ziel des Projektes »Die Gläserne Stadt« ist es daher, durch Besuche und begleitende Workshops ein realistisches Bild von demokratischen Institutionen zu zeichnen und den Jugendlichen den Kontakt mit Polizisten und Polizistinnen  zu ermöglichen. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil in Sachsen die Polizei das höchste Vertrauen der demokratischen Institutionen im Bundesland genießt, und dieses Vertrauen in einem realitätsbasierten Verständnis der Arbeit dieser Institution wurzeln sollte.

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