Als eine der ältesten deutschen Parteien erinnert sich die SPD gern an ihre Geschichte und Tradition. Schön, wenn sie sich auch an diesen Satz aus dem Jahr 1915 erinnern würde: »Nicht das Lippenbekenntnis, nur das Leben und Handeln adelt und erhebt.« Ein Satz, aufgeschrieben von Clara Zetkin, einer der bedeutendsten sozialdemokratischen Kämpferinnen für Frauenrechte.
Liest sich erstmal gut und ist ermutigend.
Ein frauenpolitisches Bekenntnis findet sich dann auch gleich in der Präambel des Koalitionsvertrags der schwarz-roten Regierung: »Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern (...) ist zentrales Anliegen unserer gesamten Regierungsarbeit.« Liest sich doch erstmal gut. Und wer würde schon meckern, weil begrifflich nur von einem »Anliegen« die Rede ist und nicht vom stärker verpflichtenden »Ziel«. Auch dass die großen Linien fehlen, die Verortung der deutschen Frauenpolitik im internationalen Kontext und der Hinweis auf die zunehmende Frauenfeindlichkeit weltweit – geschenkt. Wer hätte dies von einem Papier, das die Union mitverantwortet hat, denn erwartet? So betont auch der Deutsche Frauenrat zunächst das Positive: »Die Präambel zeigt, dass die schwarz-rote Koalition Verantwortung für die Gleichstellung von Frauen übernehmen will«, sagt Beate von Miquel, Vorsitzende des Frauenrats, der die Interessen von 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen vertritt. »Das ist erstmal ermutigend.«
Dem Vernehmen nach war die Stimmung gut in der Verhandlungsgruppe, die für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen zuständig war. Und an einem Punkt haben sich die Beteiligten sicher sehr amüsiert, selbst wenn das Thema gar nicht so lustig ist. Laut Koalitionsvertrag soll es säumigen Unterhaltsschuldnern verstärkt an den Kragen gehen – zum Beispiel, indem ihnen der Führerschein entzogen wird. Das ist doch mal was, das tut weh. Klare Kante gegen die unendlich vielen, verantwortungslosen Drückeberger und sich arm rechnenden, zahlungsunwilligen Väter.
Doch so erfreulich das ein oder andere im Koalitionsvertrag ist, so wenig Freude kommt insgesamt auf. Zu unverbindlich, zu zögerlich, zu vage. Viel zu selten heißt es »wir werden«, viel zu häufig »wir wollen«. Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbands: »Wir geben der neuen Regierung einen Vertrauensvorschuss. Aber der Koalitionsvertrag macht uns nicht fröhlich. Frauenpolitisch geht es rückwärts statt vorwärts.« Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, formuliert es drastischer: »Es ist schon bitter, wie absolut unambitioniert die frauenpolitischen Vorhaben von Schwarz-Rot sind. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu kein mutiger Fortschrittsgedanke.«
Viel Symbolpolitik, wenig Maßnahmen
Es gibt Ansagen, die nicht nur ärgerlich sind, sondern regelrecht frauenfeindlich – wie beim Thema Migration. Zudem gähnen große Leerstellen vor allem dort, wo männliche Privilegien unmittelbar beschnitten würden oder die Interessen der Wirtschaft betroffen wären. Sei es beim Paritätsgesetz oder beim Gender Budgeting, sei es bei Frauenquoten für Unternehmen oder der Elternstartzeit. »Der Koalitionsvertrag glänzt durch Ignoranz – auch frauenpolitisch«, urteilt Heidi Reichinnek, Fraktionsvorsitzende der Linken. »Hauptsächlich geht es um schöne Prosa, aber selten um konkrete Vereinbarungen. Und wenn, werden die meisten unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.«
»Der interfraktionelle Konformitätsdruck war offenbar doch zu hoch.«
Dabei mangelte es der Verhandlungsgruppe keineswegs an Politikerinnen, die eine frauenpolitische Agenda haben. Doch der interfraktionelle Konformitätsdruck war offenbar hoch. Fehlte es den Frauen an Mut oder dem Willen, sich gegen die männlich dominierten Strukturen ihrer Parteien durchzusetzen? Wieviel direkter Druck kam aus der Führungsriege von CDU/CSU, wieviel vorauseilender Gehorsam war mit im Spiel? Dabei sollte man nicht vergessen: Nicht nur bei der Union, auch bei den Sozialdemokraten entscheidet Männermacht welche weiblichen Abgeordneten politisch aufsteigen dürfen – oder auch nicht.
Positive Konzepte der Regierung
Mehr Geld für Familien: Nachdem die Kindergrundsicherungspläne der Ampel nicht umgesetzt wurden, will die Koalition dennoch die Kinderarmut bekämpfen. Angesichts der unendlich vielen Kinder in prekären Verhältnissen wäre Nicht-Handeln an dieser Stelle allerdings auch ein Skandal. Zudem soll das Elterngeld erhöht werden, das war seit 2007 nicht mehr der Fall. Familien mit niedrigerem Einkommen würden davon besonders profitieren. Gleichzeitig will die Koalition das Elterngeld so verändern, dass Väter stärker in die Betreuung der Kinder eingebunden werden.
Geschlechtersensible Medizin: Die neue Regierung verpflichtet sich
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