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Chinas Vorstellung von einer neuen Weltordnung Der berechenbare Partner?

China gestaltet die globale Außen- und Sicherheitspolitik und Entwicklungsagenda des 21. Jahrhunderts deutlich proaktiver und sichtbarer durch eigene Konzepte und Initiativen im Sinne des eigenen politischen Systems mit. Denn die Volksrepublik unter Führung seines ambitionierten Staats- und Parteichefs Xi Jinping, der seit 2012 im Amt ist, verfügt über deutlich mehr wirtschaftliche wie sicherheitspolitische Ressourcen.

Globale Initiativen

So strebt Peking immer entschlossener nach einer Reform der Weltordnung, der internationalen Finanzarchitektur sowie der globalen Sicherheitsordnung und präsentiert sich dabei als Fürsprecher der Entwicklungsländer. Damit verbunden ist der Anspruch, dass China als großes und starkes sozialistisches Land sowie als friedensstiftende Macht wahrgenommen wird und sich für ökologisch nachhaltige und selbstbestimmte Entwicklung in der Welt einsetzt. In diesem Sinne wurden in den vergangenen Jahren auch Chinas drei globale Initiativen präsentiert; die Globale Entwicklungsinitiative (GDI; 2021), die Globale Sicherheitsinitiative (GSI; 2022) sowie die Globale Zivilisationsinitiative (GZI; 2023), die die zentralen Bausteine für die Verwirklichung von Xi Jinpings Weltsicht namens Schicksalsgemeinschaft der Menschheit bilden.

Peking formuliert erstmals auch einen normativen Anspruch.

Die wichtigste Plattform zur Umsetzung dieser Initiativen und Zielsetzungen ist bisher die Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI), die durch die GDI ergänzt wird, oder sogar überflügelt werden könnte. So liegt der Fokus der GDI – im Gegensatz zur infrastrukturlastigen BRI – vor allem auf Projekten wie grüner (Industrie-)Entwicklung, Digitalisierung, Gesundheit, Ernährungssicherheit und Berufsbildung, während Peking damit erstmals auch einen normativen Anspruch formuliert. So gibt Chinas Außenpolitik vor, dass GDI ein Beitrag ist, um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung

(Sustainable Development Goals, SDGs) und die Agenda 2030 der UN fristgerecht zu realisieren. Aus westlicher Perspektive ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum es dafür einer nationalen Initiative bedarf

Konzeptionell strebt Peking im Sinne seines eigenen politischen Systems danach, wirtschaftlich-technologische Entwicklung als das zentrale globale politische Projekt der Weltgemeinschaft anstelle von Freiheit und der Emanzipation des Einzelnen durchzusetzen. Moralische und kulturelle Überlegenheit wird unter anderem mit der jahrtausendelang fortdauernden Existenz der chinesischen Zivilisation begründet. Die Universalität der Menschenrechte wird mit der GZI offen infrage gestellt und stattdessen für »Menschenrechtskonzepte« je nach Zivilisations- und Kulturkontext der jeweiligen Länder – mit Entwicklung als zentralem Menschenrecht – geworben. Wir haben also »systemische Differenzen« beziehungsweise stehen in einem Systemwettbewerb mit China, da Chinas Führung die internationale Ordnung entlang ihres eigenen politischen Systems und mithilfe seiner drei globalen Initiativen umgestalten will. Dass die Universalität der Menschenrechte infrage gestellt wird, ist ein grundsätzliches Problem – gerade für Deutschland mit seiner Geschichte.

»Peking tritt gleichzeitig dezidiert und wenig altruistisch für eine sinozentrisch geprägte Ordnung ein.«

Peking bekennt sich stets zur Charta der Vereinten Nationen und wirbt für deren Stärkung als oberste Autorität in den internationalen Beziehungen, um insbesondere die Dominanz der USA auszubalancieren. Die UN müssen aus Chinas Sicht allerdings an die Machtverhältnisse des 21. Jahrhunderts angepasst werden, indem Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Einfluss bekommen. Dies impliziert, dass Peking nicht anstrebt, die USA als unipolaren Hegemon abzulösen und vor allem nicht die damit verbundenen Verpflichtungen übernehmen zu müssen. Unter dem Schirm des angestrebten Machtwechsels zugunsten des Globalen Südens tritt Peking gleichzeitig dezidiert und wenig altruistisch für eine sinozentrisch geprägte Ordnung ein, …

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