Menü

Gute Sachperformance und dennoch große Unzufriedenheit Regierungskommunikation in Not

Die Ampelregierung schafft es nicht zur Bevölkerung durchzudringen, das belegen die regelmäßigen demoskopischen Befunde deutlich. Erklärt wird dies meist mit den vielen ampelinternen Streitereien, weswegen das Bündnis öffentlich auch als »Streithanselkoalition« bezeichnet wurde. Hinzu kommt auch die Kritik an der schwachen Kommunikationsfähigkeit des Kanzlers, sowie einer zum Teil handwerklich schlechten und zugleich technokratischen Vorgehensweise in einzelnen Politikfeldern.

Die Regierung macht ihren Job ganz gut – eigentlich.

Dagegen steht die empirische Halbzeitbilanz der Regierung. In einer neueren Studie der Bertelsmann Stiftung wird der Ampel attestiert, dass sie ihren Regierungsauftrag, der sich im Koalitionsvertrag manifestiert, beherzt und überzeugend bearbeitet. In dieser Sicht verkörpert der Koalitionsvertrag quasi den »Leitfaden der Bürgererwartungen« an die aktuelle Regierung. Aus dieser Perspektive könnte man idealtypisch annehmen, dass mit der Erfüllung dieses »Leitfadens« die Regierung ihren Job gut macht. Nimmt man noch hinzu, dass durch Kriege, Inflation und Energieprobleme weitere existenzielle Herausforderungen das Regierungshandeln prägen, dann schlägt sich die Ampel wacker und hat zur Halbzeit quantitativ mehr Aufgaben erfüllt als ihre Vorgängerregierung.

Doch trotz positiver Sachbilanz nehmen die Bürger:innen die Arbeit der Regierung mehrheitlich negativ wahr. Im ZDF-Politikbarometer vom 20. Oktober 2023 bewerteten nur 32 Prozent der Befragten die Arbeit der Regierung als gut, 62 Prozent der Befragten dagegen als schlecht. Es hilft dabei wenig, dass »nur« 31 Prozent die Meinung vertreten, eine Unionsregierung würde besser arbeiten, während 49 Prozent keinen Unterschied sehen. Wie kann es also sein, dass die Menschen unzufrieden sind, obwohl sie doch das bekommen, was sie gewählt haben? Seit der Wahl von 2021 haben sich die globalen Verhältnisse drastisch verändert. Der Krieg in der Ukraine hat weitreichende Konsequenzen, angefangen bei der weiter zunehmenden Migration durch Kriegsflüchtlinge. Belastend wirkt auch das Nicht-Funktionieren des Dublin-Systems. Aber auch das Verhalten anderer EU-Länder, wie etwa Polen und Italien, die die Flüchtlinge einfach nach Deutschland durchgewunken haben, wirkt sich verschärfend auf die Lage in Deutschland aus. Die Kommunen schlagen Alarm, ein Gefühl der Überforderung schleicht sich ein und die Regierung eilt der Entwicklung hinterher.

Weitergehend hat der Krieg starke wirtschaftliche Auswirkungen, die alle Deutschen spätestens beim Einkauf bemerken. Einige sehen ihren privaten Wohlstand gefährdet, bei anderen ist die ökonomische Situation bereits als prekär zu bezeichnen. Statt darauf mit nachvollziehbaren Sozialprogrammen für diese Gruppen zu reagieren, um Ängste abzubauen, beispielsweise durch eine Absenkung oder gleich die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, kam es in der Frühphase der Krise zum Heizungsgesetz, das die Gemüter der ohnehin schon verunsicherten und belasteten Bürger:innen weiter erhitzte. Daran änderte sich auch nichts als dieses Gesetz am Ende durchaus passabel und funktionsfähig finalisiert wurde.

»Es ist viel Vertrauen zerstört worden.«

Es ist ein hoch emotionaler Kipppunkt der Regierungsarbeit der Ampel. Denn mit dem dabei sichtbar gewordenen technokratisch missionarischen Stil, dessen Dimension erst durch rechte Resonanzverstärker wie Bild oder Tichys Einblick massenmedial greifbar wurde, ist enorm viel Vertrauen zerstört worden. Denn nun war klar, es geht bei der regierungsamtlich verfolgten Transformation nicht nur um abstrakte Ziele auf übergeordneter Ebene, sondern um direkte persönliche Verhaltensänderungen, die Geld kosten, mühsam sind und mit deren Konsequenzen viele Bürger:innen in ihrem Individualleben negativ konfrontiert werden. Nach der herausfordernden Coronazeit hört der Einfluss auf die unmittelbare persönliche Lebensplanung somit nicht auf. Vielmehr führt die Transformationspolitik zu direkten Eingriffen in die persönliche Lebensplanung. Dagegen bieten die stärker werdenden rechts- und linkspopulistischen Kräfte an, die Menschen genau davor zu schützen, indem sie große Teile der transformatorischen Politik delegitimieren.

Auch die Demokratie wird infrage gestellt

Die Menschen in Deutschland geben an, große Zukunftssorgen zu haben, viele von ihnen vermuten auch, dass das Leben zukünftiger Generationen in Deutschland schlechter sein wird. So der Befund der 2023 vorgelegten Bonner Vertrauensstudie des Teams um Frank Decker. Gleichzeitig ist die Demokratiezufriedenheit deutlich gesunken. Immer mehr Leute sehen nicht nur ein Performanceproblem, sondern stellen die Demokratie als Regierungsform gleich mit infrage. Knapp über die Hälfte der in dieser Studie Befragten ist nicht zufrieden damit, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, und diese Einschätzung ist zugleich sehr stark von der sozialen Lage geprägt. Menschen, die sich den unteren Schichten zuordnen, sind weitaus unzufriedener. Zudem findet die Hälfte der Befragten, dass sich die Demokratie in den vergangenen Jahren in Deutschland negativ entwickelt hat. Das Institutionen- und das Medienvertrauen sind bei über der Hälfte der Befragten niedrig. Einzig das Vertrauen in die Wissenschaft liegt mit über 80 Prozent bei den Menschen weiterhin sehr hoch.

Noch schwieriger wird die Frage danach, was man tun kann, wenn man sieht, dass wir es bei der beschriebenen Abwendung von den demokratischen Parteien und Institutionen mit einem internationalen Phänomen zu tun haben. In den meisten europäischen Ländern besteht die Wahrnehmung, generell würden sich die Dinge in eine falsche Richtung entwickeln. Nur in drei EU-Ländern, nämlich in Luxemburg, Irland und Estland, liegt die entsprechende negative Einschätzung im Euro-Barometer 2023 bei unter 50 Prozent. In ganz Europa besteht eine hohe Unzufriedenheit mit den politischen Maßnahmen, die gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten eingesetzt werden. Diese Entwicklung machen sich die rechtspopulistischen Akteure zunutze, die bereits seit Jahren den politischen Wettbewerb mitbestimmen.

Der deutsche Fall des Niedergangsszenarios

Die rechten Akteure sind über die Ländergrenzen darin vereint, den Wähler:innen ein Bild zu vermitteln, als wären die aktuellen politischen Herausforderungen ganz problemlos auf der nationalen Ebene lösbar, wenn sie nur die Regierungsmacht hätten. Dass populistische Mächte in anderen Ländern mit ähnlichen Versprechen angetreten und mit ihren Angeboten bisher gescheitert sind, spielt dabei keine Rolle. Aber auch wenn die Krise der Demokratie eine internationale ist, muss sie primär national angegangen werden. In jedem Land gibt es besondere Herausforderungen und verwundbare Stellen der demokratischen Akteure. Eine besondere Herausforderung für Deutschland ist das Niedergangsszenario: Deutschland, der kranke Mann Europas, manche meinen sogar der Welt. Tatsächlich gibt es viel Defizite in der Infrastruktur, in der staatlichen Administration und bei den von den Unternehmen verantworteten Transformationsprozessen, die schon lange vor der Ampelregierung existierten und zunehmend mehr Anlass zu tiefgreifender Sorge bieten.

Doch wenn diese Sorgen zum Bild einer handlungsunfähigen Politik verdichtet werden, dann geht es von der Sorge über zu einer knallharten populistischen Kampagne, die schnell dystopischen Charakter annimmt und sich zu einer antidemokratischen Rebellion entwickeln kann. Dann wird jede Zugverspätung zum Beweis dafür, dass dieses System am Ende ist und bereits sein Totenglöcklein geläutet wird. Dabei ist zu sehen, dass das Heer der Kommunikatoren, die dieses Ziel verfolgen in den letzten Jahren erheblich gewachsen ist und dank sozialer Medien ständig zunimmt.

»Der dystopische Überbietungswettbewerb kann ein neues Niveau erreichen.«

Deutschland sei am Ende, und die Schuld liege bei der Regierung, die an den Bedarfen und Nöten der Bevölkerung vorbei regiere. Häufig ist auch die Rede davon, dass wir gegenwärtig die schlechteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik haben. Rechte Medien wie Tichys Einblick veröffentlichen tägliche Artikel mit Titeln wie »Den Wirten droht eine Pleitewelle durch die Ampel«. Selbst die FDP spart nicht an öffentlicher Kritik gegenüber dem eigenen grünen Koalitionspartner, und wirft diesem hin und wieder vor, sie seien ein Sicherheitsrisiko für die Bundesrepu­­blik. Die Versuchung, das Niedergangsszenario zu nutzen, lässt auch die demokratische Opposition nicht kalt. Über die beste Performanz im Orchestrieren des Niedergangs verfügt freilich bislang die AfD. Sie bekommt aber jetzt Konkurrenz von der Personenkultpartei um Sahra Wagenknecht, womit der dystopische Überbietungswettbewerb ein neues Niveau erreichen kann.

Wie kann eine positive Erzählung aussehen?

Schauen wir uns zunächst einmal die zentralen Kommunikationsstile in der Ampelkoalition an: Dort stehen bislang vier Kommunikationsstile nebeneinander, die aus sich heraus bislang nicht die Kraft besaßen, sich zu ergänzen und positiv zu verstärken. Erstens der Stil des Kanzlers, der sich, als »guter Hirte« verstehend, unentwegt kommuniziert: Alles wird gut, wenn Ihr mir nur folgt, weil ich einen Plan habe und weiß, wo es hin geht. In diesem Sinne auch eine deutliche Kontinuität zur merkelschen Rhetorik des »Wir schaffen das«. Ein zweiter Kommunikationsstil ist Robert Habeck zuzuordnen, der einen durchaus empathie­orientierten Zugang zu den Problemen hat und in diesem Sinne den Zweifelnden auf dem Weg zum schlussendlichen Gelingen verkörpert. Der dritte Stil, der missionarische, ist bei den Grünen tief verankert, wird von Annalena Baerbock besonders genutzt. Es geht um eine primär wertebasierte Kommunikation, die feministische Außenpolitik als exemplarisches Flaggschiff dieses Stils, spricht eindeutig, klar, entschieden und kümmert sich wenig um die Ambivalenzen und Interessen, die den jeweiligen Problemlagen eigen sind. Es geht um das Ziel, das im Sinne der Eindeutigkeit erreicht werden soll. Schließlich und als viertes ist Christian Lindner nicht zu vergessen, der als Finanzminister weniger die Sprache der Ermöglichung spricht, sondern die der Begrenzung. Die Schuldenbremse sei nicht verhandelbar und der Ausbau des Sozialstaats sei an sein Ende gekommen.

Die positive Erzählung, die Probleme klar benennt, aber auch aufzeigt wie sie gelöst werden können, das ist es, woran es bisher mangelt. Wahrscheinlich ist auch, dass ein eigener Regierungspopulismus eher die Tendenz in sich birgt, zur weiteren Polarisierung beizutragen. Der Populismus bietet keine Perspektive. Die Regierungsrhetorik kann jedoch vom Populismus lernen. Deshalb sollte sie sich nicht einfach darauf konzentrieren, dass Deutschland am Ende der ökologischen Transformation das wirtschaftlich und ökologisch modernste Land sein wird. Verbunden mit der Erwartung, dass sich alle anderen Länder danach sehnen, unser Wissen und unsere Technologie haben zu wollen, um ihre Probleme besser lösen zu können. Das ist alles andere als ein Selbstläufer.

Zweifellos ist eine auf die vorhandenen Probleme eingehende Rhetorik und Kommunikation in den meisten Fällen am ehesten in der Lage bei den Bürgern Vertrauen aufzubauen. Denn eine Anerkennung der Probleme und der unbedingte Wille sie gemeinsam, ergebnisoffen mit der Bevölkerung und vor allem mit allen konstruktiven Kräften im Parlament und in der Gesellschaft anzugehen, das wäre tatsächlich ein realistischer Fortschritt. Dabei ist auch klar, dass in manchen Bereichen entschleunigt werden kann. Dies sollte insbesondere bei unmittelbaren Veränderungen in der Alltagswelt bedacht werden. Dagegen sollte in anderen Bereichen umgekehrt gerade drastisch beschleunigt werden, namentlich etwa bei Genehmigungsverfahren, Planfeststellungsverfahren, dem Abbau von Bürokratie. Angesichts des Vertrauensverfalls braucht diese Regierung einen glaubhaften Neustart für die zweite Hälfte der Legislaturperiode.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Nach oben