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Repräsentation im Literaturbetrieb und in der Literatur Wer spricht für wen – und wie?

 

Der Repräsentationsdiskurs kann vielerlei Formen annehmen, von denen ich hier einige anreißen möchte. So wurde etwa in den deutschen Feuilletons und den sozialen Medien darüber debattiert, inwiefern und in welchem Maße People of Color oder Zugehörige anderer marginalisierter Gruppen in Gremien vertreten sind, die über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden; inwiefern eine sozial und pekuniär privilegierte weiße Jury darüber entscheidet, wer einen Literaturpreis oder ein Stipendium erhält oder wer zu welchem Residenzaufenthalt eingeladen wird.

Mehr Sensibilität, mehr Solidarität

Es wird zudem mehr Sensibilität für oder Solidarität mit marginalisierten Gruppen vonnöten sein, um Auswahlverfahren gerecht gestalten zu können – ein tieferes Verständnis dafür, wie Marginalisierungsprozesse funktionieren und welche Auswirkungen sie mit Blick auf Hautfarbe, Klasse, Geschlecht, Alter oder Behinderungen haben. Denn Preise, Stipendien, Residenzen fördern die Sichtbarkeit von Autor:innen: Die öffentliche und privatwirtschaftliche Literaturförderung regt den literarischen Produktionsprozess an, unterstützt ihn. Sie erhöht die Verkaufszahlen, die Anzahl der Einladungen der Autor:innen zu Lesungen und anderen Veranstaltungsformaten, die Anzahl der Interviewanfragen; allgemein erhöht sie die Wahrnehmung der Expertise der Autor:innen zu bestimmten Themen oder Fragestellungen.

Wenn also Literaturförderinstitutionen mit einer erhöhten Sensibilität für marginalisierte Gruppen agieren (würden), bedeutet(e) das etwa, dass, erstens, sonst marginalisierte Autor:innen von ihrer Literatur leben könnten; dass sie sich zweitens auf das Schreiben konzentrieren können, und nicht auf die Existenzsicherung durch Brotjobs; dass drittens marginalisierte Themenfelder und Fragestellungen sichtbarer werden; dass viertens die Ästhetiken und Erzählweisen der geförderten Texte breiter rezipiert würden; dass fünftens mehr Leser:innen auf ansonsten marginalisierte Personen(gruppen) aufmerksam werden, und dass sechstens auch nicht bereits hegemonial gewordene Reflexionsprozesse über Literatur in Gang gesetzt werden.

»Die Literaturförderung muss dafür sorgen, dass Auswahlroutinen für Diversität sorgen.«

Allgemein bedeutet das, dass durch mehr Sensibilität für solche Prozesse die Literaturlandschaft vielfältiger wird. Natürlich schreiben Personen, die aus marginalisierten Kontexten heraus schreiben, nicht immer über Marginalisierungserfahrungen. Das tun und müssen sie nicht. Es geht vielmehr darum, durch das Engagement der Förderer die Sichtbarkeit einer Literatur zu gewährleisten, die nicht aus stabilen Netzwerkstrukturen entsteht; die Sichtbarkeit von Autor:innen, die noch nicht bekannt (genug) sind, deren Habitus vielleicht kein bürgerlich-intellektueller ist, deren Texte nicht in einem institutionalisierten Ausbildungsrahmen entstehen. Kurzum: Die Literaturförderung muss dafür sorgen, dass Auswahlroutinen für Diversität sorgen, sei es durch die Reflexion der Besetzung einer Jury oder die Formulierung von Auswahlkriterien. Sie muss durch ihre Praxis für die sprechen, die diese Fürsprache sonst nicht hätten.

Zum Repräsentationsdiskurs gehören auch Debatten darüber,

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